Wie das Magazin BEEF! funktioniert: Männer wollen Fleisch

BEEF! will ein Magazin für Männer von heute sein und fotografiert Steaks wie Frauen. Eine Erkundung.

Saftig, sauber und – roh. Bild: Ronald Sarayudej / Flickr (CC BY 2.0)

Wie sie geglänzt hat. Eine Spur zu viel. Von allem hatte sie eine Spur zu viel: Die Buchstaben waren größer, als man das kennt. Das Fleisch vorne drauf war saftiger, ganz sauber war das Fleisch. Ganz rein und rot und so – roh. Und dann der Preis! Zehn Euro fast. Für ein Heft?

Der Chefredakteur will sein Baby nicht kaffeebefleckt in vegan-feministischen WG-Küchen sehen, sondern auf den Coffeetables grillender Zahnärzte

„Anders als die anderen”, dachte Daniel Bäzol. Er war damals Tankstellenwart und sortierte gerade Zeitschriften in die Regale ein, da lag zum ersten Mal die BEEF! auf seinem Arm. Mit der Hand strich er über das Cover. BEEF!. Ausrufezeichen. Versalien.

Es schrie nach ihm, dieses Magazin „für Männer mit Geschmack”, wie er las. Denn er kochte ja gern. Er hatte angefangen, Tütensuppen zu verfeinern, sie mit Gewürzen zu schärfen, und bevor er den Job an der Tankstelle angenommen hatte, war er Wurstwarenfachverkäufer. Er war gelernter Fleischer.

Daniel Bäzol blätterte und versank. Seitenweise Nahaufnahmen von Filetstücken, von Öl und Rosmarin, medium, medium rare, Knochen, Feuer, Fett. Er sah braune Krusten mit rosa Kern, Rauch überm Rost, Würste und Wein, die Zeilen bekamen einen Duft. Sie waren brachial. Sie rochen herb, und sie riechen noch. Nach Kohle. Nach Schweiß. Nach richtigem Sex.

„Nimm mich!”, ist eine klassische Titelzeile. Zu sehen ist, und das gefühlt immer, ein kräftig durchwachsenes Steak, das für den Fotografen in Szene gesetzt wurde wie sonst eine Frau: unberührt, glatt, Oberfläche und Proportionen ordentlich ausgeleuchtet. Natürlich sitzt es nicht, das Steak, das auf dem Cover „Glück” genannt wird; es steht, und es steht auch nicht einfach, sondern – die Penispointe gibt es kleingedruckt – „aufrecht”.

Bilder für Tiermörder und Sexisten

Und das braucht es, glaubt der Chefredakteur. Das Gehabe. Den Machoton. „Bisschen Kneipe. Bisschen Fußballplatz.” Darum, unter anderem, läuft es gut mit BEEF!, seiner Erfindung, dem Versuch, „ein Magazin zu machen, das in der DNA vor allem Testosteron hat”. Jan Spielhagen, 44, ein Hobbykoch mit Denkerfalte, verantwortet bei Gruner + Jahr als Editorial Director Food zwar noch einiges, Chefkoch etwa oder Essen und Trinken. Aber dieses Ding, diese Auflage, 60.000 nach Verlagsangaben, die „Rotzigkeit”, das „klare Gesicht” – klaaares Gesicht, wie Spielhagen durchs Telefon sagt –, das ist sein, hm, tja, doch: Das ist sein Baby.

Seit 2009 kann man sein Baby kaufen, und dass es von Anfang an Erfolg hatte, fanden viele von Anfang an unmöglich. Unaufgeklärt. Peinlich. Lauter Texte und Bilder für Tiermörder. Für Sexisten. Über Rezepte mit schnapsgetränkten Früchten „Komm duschen” zu schreiben, ehrlich, wem fällt so was ein? In welchem Jahr lebt der?

Ein Magazin für „echte Kerle”

Bestimmt findet auch nicht jeder gut, dass Spielhagen redet, als stehe er persönlich für die Kutteln und Klischees, die man auf seinen 170 Seiten findet. Wenn Spielhagen von seinem Männerprodukt zu schwärmen beginnt, könnte man denken, BEEF! sei er und er sei BEEF!. „Ich finde, dass das Lebensmittel Fleisch eine ganz besondere Wertschätzung erhalten muss”, sagt er, und: „Eine Frau will, dass ein Messer scharf ist und in die Spülmaschine geht.”

Männer dagegen – zumindest kennt er einige, sagt er, und jetzt beginnt er zu schwärmen – Männer würden sich ein Messer auch mal 600 Euro kosten lassen und es dann lieber ansehen als benutzen. „Arktische Maserbirke, 15-mal gefalteter Stahl.” Überhaupt, „diese Akribie”, mit der Männer „Dinge erledigen” würden. Das Ausschweifende, Statushafte, „alle Grenzen Sprengende”, es sei so typisch für seine Leser, von denen es heißt, sie seien überdurchschnittlich wohlhabend und überdurchschnittlich häufig Geschäftsführer. Wie echte Kerle. „Diese nerdhafte Akribie!”

Spielhagen redet also wie einer, der sich auskennt mit starken Frauen, aber noch besser mit dem starken Geschlecht. Was super Werbung für sein Baby ist, weil er es nicht kaffeebefleckt in vegan-feministischen WG-Küchen sehen will, sondern auf den Coffeetables grillender Zahnärzte. Er will Geld verdienen, das sagt er relativ offen – und kann deshalb zutiefst einverstanden damit sein, dass es seine Marke mittlerweile auch im Fernsehen gibt.

Seit dem 14. Mai, dem Vatertag, läuft BEEF! Das TV-Magazin auf RTL Nitro und inzwischen auch auf n-tv; eine halbstündige Sendung, in der zum Beispiel ein Schwein geschlachtet, das Schweineblut in einem Eimer gesammelt und anschließend fest gerührt wird, damit Blutwurst draus werden kann. Oder, andere Folge: Der Moderator kündigt aus dem Off „die wunderbare Welt des Wildes an”.

Brüste als Beiwerk von Burgern

Eigentlich würde es jetzt passen, daraus ein billiges Wortspiel zu machen: „Apropos wild, Herr Spielhagen, Sie zeigen ja auch Brüste in Ihrem Magazin.” Aber dann auch wieder nicht. Brüste werden bei BEEF! nämlich höchstens als Beiwerk von Burgern gedruckt. (Die, für sich genommen sowie gemeinsam, echt gut aussehen.) Außerdem, warum sollte eine Marke nicht auf mehreren Kanälen beworben werden, wenn sie – außer mit Gemeinplätzen und derben Überschriften zu nerven – halt doch auch was kann?

Wenn man Hunger kriegt von diesem Heft? Veganern gesagt sei, dass unter Umständen Rezepte mit Bohnen drin vorkommen? Weltrettern, dass ab und zu für artgerechte Tierhaltung sensibilisiert wird? Und Feministinnen, dass es vielleicht einen Fortschritt bedeutet, wenn jemand wie Spielhagen sein Magazin nicht wirklich als „kulinarischen Playboy” bezeichnet haben will? Letztlich handelt es sich um ein Magazin, das kochende Männer zur Zielgruppe hat. Kochende Männer! Was kann man gegen die schon haben?

Klar, sagt er, seien ihm die Sprüche in der BEEF! manchmal 'zu aufgebläht'. Aber er lese sie ja, weil sie ihn bestätigt

„Meine Bolognese dauert sieben, acht Stunden”, sagt Daniel Bäzol, der Mann, der früher Tankstellenwart war und noch früher Wurstwarenfachverkäufer. Er hat gerade geheiratet, Conny, sie ist in der Tankstelle vor ihm auf die Knie gefallen. „Für dich heirate ich ein drittes Mal”, hat sie gesagt und ihm später die BEEF! als Abo geschenkt. Die Erstausgabe, die so geglänzt hat, hat er damals mit nach Hause genommen.

Die Hochzeit der beiden – sie 48, er 40 Jahre – war besonders, eine Vermählung in schwarz. Conny trug einen Reifrock unterm dunklen Tüll; den Schleier, die Kette, die Handschuhe schwarz. Daniel trug Kajalstrich unter den Augen. Vor dem Standesamt stiegen schwarze Luftballons auf, Kinder warfen schwarzen Reis – und jetzt, beim Gothic-Picknick im Leipziger Clara-Zetkin-Park, wenige Stunden nach dem Eheversprechen, sind die Rosen aus schwarzem Wachs. Ehrensache, dass sich die Gäste an den Dresscode halten, in Korsagen und Lackanzügen auftauchen. Jeder versteht hier, wie gern das Brautpaar – statt im weißen Rolls-Royce – „im Leichenwagen durch Leipzig” gerollt wäre.

„halb lebendig” muss es sein

Daniel Bäzol hockt auf der Picknickdecke und sagt: „Ich bin kein Macho. Eher der klassische Gentleman.” Harmlos sieht er aus, ein bisschen abgeschafft vom Tag. Glatze, schmal, mittelgroß. Kann mit Fußball nichts anfangen und mit Formel 1 erst recht nicht. „Ursprünglich” mag er’s dennoch, genau wie das „Martialische” an BEEF!.

Sein Stück Rind liebe er dick und fett, „halb lebendig am besten”, während seine Frau in möglichst wenig weißem Hähnchenfleisch stochere. Vor ihm liegt „Das große DDR-Wurstbuch”, ein Hochzeitsgeschenk, das Tipps zum „Räuchern – Wursten – Pökeln” gibt. „Aber das teuerste Hochzeitgeschenk”, Bäzol streicht sich über den Kopf, „steht schon daheim in der Küche”: ein Fleischwolf für 200 Euro.

Klar, sagt er, seien ihm die Sprüche in der BEEF! manchmal „zu aufgebläht”. Aber er lese sie ja, weil sie ihn bestätigt. Ihm Lust aufs Kochen macht und seine Auffassung teilt, dass „kein Tier umsonst sterben und ganz verwertet werden soll”. „Einen untypischeren Leser hätten Sie nicht finden können”, hat Jan Spielhagen gesagt. Gothic-Typ. Und bei diesem Picknick gabs nicht mal einen Grill?

Vielleicht hätte er besser gesagt: Einen typischen Leser hätten Sie ebenso wenig finden können wie einen typischen Mann. Denn er hat recht, bei diesem Picknick gab es keinen Grill. Es gab Cupcakes und Sekt.

ANNABELLE SEUBERT

Der Artikel ist erschienen in der Ausgabe zeozwei 4/2015. Gerne können Sie den Artikel auf unserer Facebook-Seite diskutieren.