Der zeozwei Wochenüberblick #19: Lebensirrtum der Grünen-Wähler?

Die besten Bücher für einen Sommer des Lesens und des Lebens. Darunter auch: Hartmut Rosas spektakuläres Werk „Resonanz“.

Bild: 123RF

Nichts gegen Krimis, nichts gegen Belletristik, schon gar nichts gegen großartige Literatur. Aber? Jetzt kommt kein Aber, sondern ein komplementärer, ein ergänzender Gedanke.

Auch Sachbücher können einen Rausch erzeugen und ein ganz großes Gefühl, das nicht Weltflucht heißt, sondern das Gegenteil bedeutet: Man rückt beim Lesen, beim Denken, plötzlich ganz nahe an die Welt heran. Weil da eine Idee auftaucht, mit deren Hilfe sie sich plötzlich besser, anders oder neu erschließt. Eine Idee, mit der man tatsächlich überzeugt ist, die Welt verändern zu können.

So ging es mir beim Lesen von „Resonanz“, dem neuen Buch des Jenaer Soziologen Hartmut Rosa. „Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung“, lautet der erste Satz. Und der zweite: „Dies ist die auf die kürzest mögliche Formel gebrachte Kernthese dieses Buches.“ Das bedeutet: Der moderne Mensch denkt, er müsse ständig seine Weltreichweite, also seine Ressourcen vergrößern (Wissen, Kontakte, Sozialprestige, Geld, Körperoptimierung).

Kein esoterisches Geschwurbel

Es ist auch zweifellos hilfreich, Geld zu haben und nicht kein Geld. Leben kann man aber nicht sammeln. Das permanente Akkumulieren von Kapital kann sogar ein gutes Leben verhindern. Lebendig sein, also im Inneren Resonanz zu spüren, geht nicht durch Aneignung von Stoff, sondern durch positive Beziehungen zum Äußeren.

Wer nun denkt, das sei wohl ein esoterischer Schwurbel oder eine neue Variante des "Weniger ist mehr"-Geredes: Weit gefehlt. Rosa liefert den Missing Link zwischen den soziologischen und politischen Gegenwartsanalysen und einem selbst.

Am Ende hat man wirklich verstanden, warum Grünen-Wähler den größten Weltverbrauch haben. Weil sie ihren politischen Zielen nicht trauen. Weil auch sie in dem Irrtum gefangen sind, dass Veränderung nichts mit ihrer Weltbeziehung zu tun hat.

Die ökosoziale Dimension

Bei Rosa versteht man erstmals wirklich, wie man in das neue Zeitalter kommt. Genauso wie man vom Mittelalter in die Moderne kam. Durch eine grundsätzliche Veränderung der Weltbeziehung.

Es ist die Voraussetzung, um ein anderes und damit besseres Leben zu führen. „Besser“ oder „Gut“ eben nicht in der Variante des als identitätspolitisch-emanzipatorischem Linksliberalismus camouflierten Superindividualismus.

Sondern „gut“ in seiner ökosozialen Dimension als ein Leben, das tatsächlich besser gelingt – für einen selbst und deshalb auch im Hinblick auf eine globalgesellschaftlich gute Zukunft. Der Mensch wächst, weil er sich qualitativ mit der Welt verbindet.

Rosas Buch kann Leben wirklich zum Besseren verändern, das ist spektakulär. Und in der neuen Ausgabe von zeozwei (Link) empfehlen wir noch mehr großartige Sachbücher, wobei „Sachbuch“ der völlig falsche Begriff ist. Die zeozwei Buchliste Sommer 2016 empfiehlt vielmehr 10 Bücher, die Lebenbücher sind, Zukunftbücher. Bücher, die Zukunft in die Welt bringen. Für einen Sommer des guten Lesens und des guten Lebens.

PETER UNFRIED, Chefredakteur der zeozwei

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Den zeozwei Wochenüberblick vom zeozwei-Chefredakteur Peter Unfried können Sie gerne auf unserer Facebook-Seite diskutieren.

 

 

 

In der neuen zeozwei-Ausgabe diskutieren wir:

 

• 1. Wie gelingt Leben mit Einwanderung?

 

• 2. Soll man sein Smartphone wegschmeißen?

 

• 3. Kann man politisch essen?

 

• 4. Was sind die Lehren aus der Glyphosat-Debatte?

 

• 5. Was muss im Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung stehen?

 

• 6. Verschläft die Automobilindustrie die Zukunft und ist die Politik daran schuld?  -

 

• 7. Alle Grünen wollen sie, aber was genau ist „Haltung“?

 

• 8. Wenn ein Auto Zukunft hat, ist es der Elektro-BMW?

 

• 9. Oder sind E-Autos generell Unfug?

 

• 10. Was bringt „Lebensmittel retten“ und Reste essen?

 

• 11. Müssen Klimaschützer die Arbeit am gesellschaftlichen Bewusstsein aufgeben?

Leserbrief zum zeozwei-Gespräch mit Juli Zeh in Ausgabe 2/16:

„Sehr gut gefragt, sehr gelungen, herausragend, Kompliment!“ – Dr. Aribert Peters, Vorsitzender des Bundes für Energieverbraucher

Leserbrief zum zeozwei-Gespräch mit Juli Zeh in Ausgabe 2/16:

„Sorry Leute. Zu viel lahme Interviews, zu wenig Fakten, zu viel 50plus-Lifestyle - ich bin raus!“ – Johannes Schroth

Anti-Kohle-Bewegung: Es ist noch ein weiter Weg, bis der bürgergesellschaftliche Kampf gegen schmutzige Kohle-Energie die Kraft der Anti-Atom-Bewegung erreicht – meint Klimaaktivist Hendrik Sander auf Klimaretter.info

 

Temperaturanstieg: Wenn alle fossilen Energien verbrannt werden, steigt die globale Temperatur im Schnitt um acht Grad Celsius, in der Arktis sogar um bis zu 17 Grad. Das sagt eine neue Studie, die in Nature Climate Change veröffentlicht wurde.

• Ab 13. Juni: Die Fußball-EM im tazcafe.

Alle 15 Uhr- und 18-Uhr-Spiele und alle deutschen Spiele in ökosozialer Fußballatmosphäre. | taz Café, Rudi-Dutschke-Str. 23, 10969 Berlin-Kreuzberg. Eintritt frei.

 

• 19. Juni: Die offene Gesellschaft - welches Land werden wir? Diskussion. | Mainz, Staatstheater 20 Uhr

 

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• Die zeozwei-Ausgabe „30 Jahre Tschernobyl“ – jetzt noch bestellen.

 

• Die neue zeozwei-Ausgabe 3/2016 „Hallo, Nachbarn.“ – ab 14. Juni im Handel. Jetzt bestellen oder gleich abonnieren.

 

That wraps it up for today. Until next week: Keep your feet on the ground and keep reaching for the stars.