Das neue Image Berlins läßt auf sich warten

■ Touristikexperten rätseln, warum die Hauptstadt zum „No-name-Ziel“ geworden ist

Berlin. Die neue Hauptstadt steckt in der Krise. Jüngst wartete Der Spiegel mit einer Titelgeschichte auf, in der Berlin als kostenzehrender Moloch, als eine Horrorvision aus Chaos und Inkompetenz zu schlechtem Ruf kam. Sind es solche drastischen Darstellungen, die der Stadt einen Besucherrückgang bescheren wie lange nicht mehr? Oder hat die einstige Hochburg des Kalten Krieges seit dem Fall der Mauer schlicht an Attraktivität verloren? In der kurzen Zeitspanne nach dem 9. November 1989, in der Berlin zum Mittelpunkt des politischen Weltgeschehens wurde, erlebte die Hotel- und Gaststättenbranche einen bis dahin nie gekannten Boom. Doch die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes aus Wiesbaden sind alarmierend: im Vergleich zu allen anderen Westbundesländern mußte Berlin bei den Übernachtungen im vergangenen Jahr einen Rückgang um zehn Prozent hinnehmen – Hamburg, Bayern und Hessen verzeichneten hingegen nur ein Minus von einem Prozent. Vielfältig sind die Gründe, die von den Experten angeführt werde. Die einen beklagen die mangelnde Selbstdarstellung der Stadt, die anderen überhöhte Hotelpreise, wiederum andere die wirtschaftliche Rezession. Für den Präsidenten der Hotel- und Gaststätten-Innung, Michael Wegner, ist Berlin seit drei Jahren ein „No- name-Ziel“. Dabei werde in der Stadt mehr als je zuvor geboten – Kultur, Kongresse, das Umland, die nur richtig vermarktet werden müßten. Berlin sollte sich auch nicht scheuen, die großen Veränderungen im Stadtbild zu vermarkten – etwa die großen Bauvorhaben am Potsdamer Platz. Berlin als „Werkstatt“ – das sei an sich schon eine Attraktion, die nur entsprechend dargestellt werden müßte.

Die Kritik des „airtours international“-Geschäftsführers Ewald Vollrath aus Frankfurt, der sich jüngst in einem Zeitungsbericht über zu hohe Hotelpreise in Berlin beklagt hatte, weist Wegner als „unredlich“ zurück. Nach dem Mauerfall und mit dem Boom seien viele Berliner Hotels von der Praxis abgewichen, Großveranstaltern zum Teil kräftige Preisnachlässe einzuräumen. Wegner: „Berlin hat sich den Maßstäben anderer Städte angeglichen. Natürlich kann man darüber streiten, ob diese Entscheidung langfristig gesehen klug war.“

Wie Wegner so hoffen die Verantwortlichen auf die Tourismus GmbH, die an die Stelle des Anfang März aufgelösten Verkehrsamtes (VAB) treten soll – einst für Berlins Selbstdarstellung zuständig. Als Gründungstermin der GmbH ist nun der 1. Juli vorgesehen. Beteiligen sollen sich neben dem Land die Hotel- und Gaststätten-Innung, die DIAL-Gruppe als ein Zusammenschluß verschiedener Großhotels, Betriebe des Einzelhandels, die Lufthansa und die Messegesellschaft AMK.

Doch die Imagepflege der GmbH selbst stand bis zuletzt in keinem günstigen Licht. Denn hinter den Kulissen wurde monatelang heftig über die Konzeption gerangelt. Vor allem die Hotel- und Gaststätten-Innung befürchtete, die großen Anbieter könnten letztlich ihre eigenen Marketingstrategien zu Lasten der kleineren Hotels und Pensionen durchsetzen. Hier hat man sich nun auf eine „Spartenlösung“ geeinigt: Gelder, die etwa von Pensionen in den Topf eingebracht werden, sollen auch für die Werbung in diesem Bereich wieder ausgegeben werden. Noch unklar ist allerdings, ob die vom Senat vorgesehene Bettenabgabe zur Finanzierung der GmbH in der ursprünglichen Form realisiert wird. In der Senatsvorlage wurden für alle Hotels mit bis zu 50 Betten pro Raum und Tag als Grundabgabe 75 Pfennig vorgesehen. Für die Hotel- und Gaststätten-Innung eine Lösung, die das Kleingewerbe belastet und daher modifiziert werden sollte, wie Wegner meint.

Die Tourismus GmbH, die der Senat in diesem Jahr mit 2,5 Millionen Mark bezuschußt und die nach den Erwartungen von Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) bis 1997 aus Abgaben und sonstigen Zuwendungen mit jährlich rund 20 Millionen Mark ausgestattet sein soll, wird auch von Lufthansa sehnsüchtig erwartet. „Wie im einzelnen geworben werden soll, ist Sache der Fachleute“, umschifft Lufthansa Sprecher Wolfgang Weber die Frage nach den Inhalten. Ohne oder mit Olympia müsse sich Berlin jedoch verstärkt im Ausland darstellen, markiert Weber einen der Eckpunkte: „Wir stellen fest, daß immer weniger ausländische Veranstalter Berlin als Flugziel im Katalog haben“. Wenn auch vieles noch im Ungewissen ist, eins gilt als sicher: Berlins Tourismus ist in der Krise. Severin Weiland