Panter Workshop Nr. 22: Märchen

Es war einmal ... eine Hexe, eine Fee, ein Prinz, ein Drache. Der nächste Panter Workshop zum Thema „Märchen”.

Vorlesestoff und Vorlage für Fantasiereisen oder uralte Gesellschaftsvorstellungen? Bild: dpa

Es war einmal ... eine Hexe, eine Fee, ein Prinz, ein Drache. Klassische Märchen handeln von wundersamen Begebenheiten. Meist wurden sie mündliche überliefert, später oft gesammelt, wie etwa von den Brüdern Grimm. Können heute überhaupt noch klassische Märchen entstehen, in einer Zeit, in der alles gesehen, gefilmt, kommentiert und auf ewig gespeichert wird?

Ja, es gibt sie, die Geschichten, die man sich weitererzählt, die der Freund eines Freundes gehört – oder im Netz gelesen hat. Moderne Großstadtmärchen, Urban Legends, die in Zeiten des Internets vielleicht sogar noch schneller weitergetragen werden. Haben sie eine Funktion? Wo kommen sie her und warum sind wir häufig so gutgläubig?

Im Gegensatz zu klassischen Märchen haben moderne Märchen – oder auch Kunstmärchen – einen Urheber. Novalis, E.T.A. Hoffmann, Oscar Wilde. Prosatexte, die sich an Volksmärchen orientieren. Lesen wir heute jedoch von „modernen Märchen“, dann sind damit selten solche Texte gemeint. Stattdessen Geschichten von Aufsteigern. „Bahnchef Rüdiger Grube. Sein Aufstieg vom Bauernsohn zum Topmanager erscheint wie ein modernes Märchen.“ Oder: „Was Fabian Hambüchen in Rio am Reck gelang, ist nichts weniger als ein modernes Märchen.“ Uninspirierte Journalistenfloskeln?

„Märchen waren und sind aber vor allem Geschichten für Kinder. Vorlesestoff und Vorlage für Fantasiereisen – oder für Albträume.“

Egal ob klassisch oder modern, die meisten Märchen folgen klaren Strukturen. Ein Held, ein Gegenspieler, ein Freund und Helfer. Die böse Hexe, der wackere Prinz, die schöne Prinzessin. Eine Weltordnung, die so gar nicht in die so unordentlich und unklar gewordenen Zeit zu passen scheint. Oder gibt es gerade jetzt eine Sehnsucht nach ebensolchen Geschichten, die klare Verhältnisse bieten?

Märchen waren und sind aber vor allem Geschichten für Kinder. Vorlesestoff und Vorlage für Fantasiereisen – oder für Albträume. Denn Märchen können auch Angst machen – und so disziplinieren. Sie bieten klare Moralvorstellungen und können helfen, Kindern Gehorsam zu lehren. Eltern sind Autoritäten, Mädchen und Frauen immer passiv, Kinder stets brav. Wollen wir diese Weltordnung überhaupt noch an unsere Kinder weitergeben?

Vielleicht sind Märchen aber auch ganz harmlose Geschichten, die auch bei Erwachsenen noch ein kurzes Lächeln hervorrufen. Erinnerungen zurückholen an die unbeschwerte Kindheit, die Oma, die abends auf der Bettkante sitzend Märchen erzählte – oder erfand.

Paul Wrusch, ist stellvertretender Ressortleiter der taz.am wochenende und betreut gemeinsam mit einem Redaktionsteam die Workshops.

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