Das war die freundliche Übernahme: Berührend, schimmernd, inklusiv

Wie die taz.mit behinderung die taz-Redaktion (nicht nur an einem Tag) mit Verve verändert hat.

Hannah Schmidt, Michael Arriens und Raúl Krauthausen bei der Arbeit im taz-Konferenzraum Bild: Anna Spindelndreier

Es ist Donnerstag, gegen 13 Uhr. Im Konferenzraum der taz brodelt es. Heute produzieren Menschen mit Behinderungen die Freitagsausgabe der taz am 2. Dezember 2016 und besetzen das Herz der Redaktion. Die Freundliche Übernahme der taz ist allerdings kein abgeriegeltes Raumschiff, das sich niedergelassen hat. Hier geht es um Austausch. Manche nennen es: Inklusion.

An dem einen Tisch feilt der Aktivist Raúl Krauthausen mit Meinungschefin Nina Apin an einem Kommentar zum gerade beschlossenen Bundesteilhabegesetz. Gegenüber bespricht taz.eins-Redakteurin Sunny Riedel mit Ulrike Pohl und Marie Gronwald, wie die Seite 6 zum Thema aussieht. Daneben erklärt taz.de-Chefin Verena Schneider der Übernehmenden und Cover-Frau Hannah Schmidt, wie Texte für taz.de produziert werden.

Judyta Smykowski schreibt im Editorial der taz.mit behinderung: „Es geht uns um Gemeinsamkeit, um beide Seiten, die irgendwie ein Ganzes werden sollen, eine Gesellschaft. Die Gemeinschaft war diese Woche in der taz spürbar. Ein Projekt der taz, des Onlineportals Leidmedien.de und von AutorInnen mit Behinderung auf der sagenumwobenen und viel geforderten Augenhöhe.“

Die Inhalte ins Blatt bringen

Smykowski ist freie Autorin und taz-Kolumnistin. Zusammen mit taz-Seele Christian Specht hat sie die Chefredaktion der taz.mit behinderung übernommen. Begleitet haben sie dabei Annabelle Seubert und Paul Wrusch, RedakteurInnen der taz.am wochenende. Die Einen hatten die Inhalte, die anderen das Wissen, wie man diese auf eine Zeitungsseite bringt.

Judyta Smykowski und ihrem Team ist es gelungen, eine Zeitung voller Überraschungen zu gestalten. Eine Bloggerin erzählt, welche dummen Sprüche sie sich während der Schwangerschaft anhören musste („War es gewollt?“), eine andere beschreibt, warum sie sich als Austauschstudentin in Italien frei fühlte.

Unter der Bildredaktion von Andi Weiland (Leidmedien) konnten zwei Bildwelten von blinden FotografInnen für die Ausgabe gewonnen werden. Überhaupt tragen die Bilder der taz.mit behinderung, gedruckt wie auf taz.de, stark zu der warmen Klarheit bei, die dieses Projekt umgibt.

    „Sitzen ist keine Begabung”

    taz.mit behinderung – auf der Redaktionssitzung am Donnerstag fragen sich die nicht-behinderten Menschen, ob „mit Behinderung“ ein guter Ausdruck sei – ob nicht „mit Einschränkungen“ besser wäre. Raúl Krauthausen hält dagegen: „Ich bin nicht anders begabt. Sitzen ist keine Begabung. Ich werde behindert.“ Es gibt viel zu lernen, zu verstehen, zu lesen.

    Die ein oder andere Autorin wird auch weiterhin in der taz zu lesen sein. Das ein oder andere Thema in Zukunft ein bisschen genauer beleuchtet werden. Inklusion muss im Alltag stattfinden. Sie kann aber auch gerne ein bisschen glänzen. So wie die taz.mit behinderung.

    KATRIN GOTTSCHALK, stv. Chefredakteurin der taz