taz.lab 2017 – Die drei Fragen (I): Plural für Heimat finden

Bis zum taz.lab am 29. April stellen wir Ihnen jede Woche unsere Pat*innen vor. Wir beginnen mit der Leiterin des Gorki-Forums Esra Küçük.

Bild: Gorki Theater

taz: Das diesjährige taz.lab findet zum Thema „Neue Heimat“ statt: Was macht das neue deutsche „Wir” aus?

Esra Küçük: Es formt sich nicht mehr entlang der Kategorie „Herkunft“ sondern entlang der Kategorie „Haltung“ – welche Haltung wir gegenüber einer pluralen offenen Gesellschaft einnehmen. Es geht um die großen Themen von Freiheit, Gleichwertigkeit, Gerechtigkeit und Solidarität. Und die Frage, was für eine Gesellschaft wir sein wollen. Das neue deutsche Wir ist eine Suchbewegung nach dem Verbindenden und nicht mehr nach dem Trennenden.

Wie wichtig ist die Herkunft, um in einer neuen Heimat anzukommen?

ist Sozial­wissenschaftlerin, Gründerin der Jungen Islamkonferenz und leitet das Gorki Forum im Berliner Maxim ­Gorki ­Thea­ter. Sie ist eine der Pat*innen des dies­jährigen taz.labs.

Natürlich spielt die Umgebung, in der wir aufwachsen, eine bedeutende Rolle. Vergangenheit ist genauso wichtig wie die Gegenwart, in der wir leben, und die Zukunft, in die wir aufbrechen möchten. „Ankommen“ ist ein großer Begriff.

Wann ist „Ankommen“ abgeschlossen? Ich glaube, für einige ist das Leben von einer ständigen Dynamik geprägt und einem lebenslangen „Ankommen“. Andere fühlen sich bereits angekommen. Ich fühle mich an unterschiedlichen Orten angekommen. Für mich sind das Wichtigste an diesen Orten die Menschen, die mir dieses Gefühl geben. Wir leben im Jahr 2017, vielleicht sollten wir einen Plural des Worts Heimat einführen.

Was bedeutet „meinland“ für Sie? 

Die „meinland, deinland, unserland“-Reise ist für mich ein Verlassen der Komfortzone und das wieder neu unvoreingenommene aufeinander Z­ugehen. Ich empfinde derzeit eine gesellschaftliche Spaltung zwischen denjenigen, die Angst haben, und denjenigen, die Mut haben – oder vielleicht Mut haben, keine Angst zu haben. Ich glaube, dass wir der kollektiven Angst, die uns im Westen befallen hat, nur mit Visionen begegnen können.

Die taz.meinland-Tour ist für mich eine Suche danach, um die Zukunft nicht den Ängstlichen zu überlassen. Ich denke, dafür sollten wir streiten, scheitern, lernen und wieder aufstehen, um gemeinsam an einem künftigen „Wir“ zu ­arbeiten.

Die Fragen stellte GINA BUCHER, taz.lab Programmchefin und Autorin.

Am 29. April findet das taz.lab dieses Jahr unter dem Titel „Neue Heimat: Der Kongress von taz.meinland“ statt. Diesmal im taz-Haus in der Rudi-Dutschke-Straße. Es wird keine Expert*innengespräche, sondern runde Tische mit Pat*innen geben, eine Zwischenbilanz von taz.meinland. Mehr erfahren Sie auf tazlab.de