Arbeitsalltag: Kriegsjournalismus: „Ich zeige, was ist“

Carsten Stormer ist bekannt für seine Reportagen aus den Kriegsgebieten dieser Welt. Im Interview gibt er Einblicke in seine Arbeit und seine Ziele.

Merkmale guter Berichterstattung: Zeigen was ist, auch wenn es schwerfällt Bild: dpa

taz: Herr Stormer, Sie haben nicht gerade den gewöhnlichsten Beruf. Sie sind als Journalist für Ihre Reportagen aus Krisen- und Kriegsgebieten bekannt. Was fasziniert Sie am Krieg?

Carsten Stormer: Es fasziniert mich rein gar nichts am Krieg! Aber ich finde es sehr wichtig, nicht nur darüber zu berichten wie viele Tote oder Explosionen es einem Tag gegeben hat, sondern dass man über einen langen Zeitraum vor Ort ist, die Leute und das Land kennenlernt. Es geht darum, dass man die Dinge einschätzen kann und ein Netzwerk vor Ort hat.

Und wie bereiten Sie sich auf diese Reisen vor? Worauf können Sie nicht verzichten?

Ein gutes Buch. Man muss den Kopf frei bekommen. Ansonsten ist eine wirklich gute Vorbereitung unverzichtbar. Die kostet Geld, Zeit und verlangt viel Erfahrung. Ich muss einigermaßen wissen, in welche Gebiete ich reise. Dazu brauche ich Leute, die mir sagen, ob es da gefährlich ist.

In ihrem Buch „Die Schatten des Morgenlandes“ schildern Sie ihre Eindrücke aus Syrien. Wieso arbeiten Sie unter Lebensgefahr? Alles nur Adrenalin-Kick?

Im Gegenteil. Adrenalin ist etwas, was mir eigentlich überhaupt nicht gefällt. Krieg ist aber einfach gefährlich. Vieles in meiner Vorbereitung und meiner Arbeit vor Ort, geht dafür drauf, dass ich möglichst am Leben bleibe. Hin und wieder muss man aber Risiken eingehen, denn wenn man nicht gewillt ist Risiken einzugehen, fährt man in kein Krisengebiet.

Carsten Stormer ist Journalist und Kriegsreporter. Er berichtet aus dem Irak und Syrien und hat zahlreiche Artikel, Fernseh- beiträge und Bücher veröffentlicht.

 

Nach Syrien musste man anfangs immer illegal einreisen: Teilweise unter einem Grenzzaun von der Türkei durch oder über tage- und nächtelange Fußmärsche vom Libanon aus über die grüne Grenze. Um Geschichten aus dem Land zu bekommen, muss man versuchen diese Risiken kalkulierbar und überschaubar zu halten.

Wieso braucht es Kriegsreporter*innen?

Was wäre schlimmer als nichts über einen Konflikt zu erfahren? Syrien ist wieder ein gutes Beispiel. Es gab in denn 1980er-Jahren schon mal von der Regierung den Versuch einen Aufstand niederzuschlagen. Damals sind zehntausende Menschen ums Leben gekommen und in Gefängnissen verschwunden. Darüber hat nie jemand etwas erfahren. Weil es keine Journalisten, keine sozialen Netzwerke und keine keine E-mails gab. Es drang nichts nach Außen. Im besten Fall können Journalisten Aufklärungsarbeit betreiben: Zeigen was vor Ort passiert, Verständnis übertragen und eine Brücke zu den Lesern, Zuschauern und Zuhörer bauen.

Das ist das Ziel Ihrer Arbeit?

Berichterstattung. Ich will zeigen was vor Ort passiert. Ich finde unsere Gesellschaft ist noch nicht so weit, wie wir glauben, dass sie es sein könnte oder sollte. Das möchte ich aufzeigen. Ich bin Journalist, ich zeige was ist. Und davon können sich die Leute hoffentlich ihr eigenes Bild machen. Ein Bild das auf Fakten und Informationen beruht.

Zynisch könnte man behaupten, dass angesichts der unzähligen Krisen und Kriege die Zukunft ihres Arbeitsfeldes gesichert sei. Wie sehen Sie Ihre berufliche Zukunft?

➡ Wann? Samstag, 21. April 2018

 

➡ Wo? Haus d. Kulturen d. Welt

John-Foster-Dulles-Allee 10

10557 Berlin

 

➡ Was? Alles zum Thema Arbeit

 

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Ich fände es schön wenn ich mehr andere Geschichten erzählen könnte. Den Begriff des Kriegsjournalisten mag ich eigentlich nicht besonders. Ich mache aber nicht nur Krieg. Ich habe auch über Bootsbauer in Indonesien berichtet und arbeite gerade an einer Reportage über eine Freundschaft in Australien. Ich finde aber die Gewichtung muss eine andere sein: Auf Krisen muss der Fokus liegen.

Es müssen eigentlich viel mehr Journalisten vor Ort sein, recherchieren und zu den Brennpunkten reisen, um mit den Leuten zu reden und sie zu verstehen. Nur so kann man erfahren,was jemanden dazu treibt mit seiner Familie auf ein leckes Schlauchboot zu gehen, um nach Europa zu kommen. Wenn hingegen Leute wie Trump, Erdogan oder rechte Burschenschaften in Österreich plötzlich das öffentliche Meinungsbild formen, dann wird Journalismus wieder interessant.

Was empfehlen Sie jungen Journalist*innen, die sich auf Krisen- oder Kriegsgebiete einlassen möchten?

Ich empfehle dringend, vorher Erfahrung zu sammeln, sich gut vorzubereiten, sich mit erfahrenen Kollegen auszutauschen. Und auch sein Inneres abzuklopfen, warum man sich in Kriegsgebiete begeben will. Ein moralischer Kompass, eine Haltung sind wichtig. Leider ist es mit der Erfahrung so, dass man sie erst bekommt, wenn man sie erfährt.

Das Interview führte TORBEN BECKER, taz lab-Redakteur.