Geständnis der drei Brandstifter

■ Politische Motivation für Anschlag auf Schwachhauser Asyl-Heim bestritten

Mit einem umfassenden Geständnis hat gestern der Prozeß um den Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in der Schwachhauser Heerstraße 110 begonnen. In der Nacht zum „Tag der Deutschen Einheit“, dem 3. Oktober 1991, waren die rund 50 dort untergebrachten AsylbewerberInnen aus der Türkei, Gambia und dem Iran nur knapp einer Katastrophe entkommen.

Nach dem Anschlag war ein Zimmer völlig ausgebrannt, in dem sich jedoch zum Glück niemand aufgehalten hatte. Das ganze Haus wurde unbewohnbar. Inzwischen steht es nach einer Grundrenovierung wieder als Flüchtlingsheim zur Verfügung. Während der reine Tathergang durch das Geständnis der 17, bzw. 18 Jahre alten Angeklagten gestern vor dem Landgericht aufgeklärt werden konnte (vgl. auch Seite 6), blieb die Frage vorerst offen, welche Rolle die organisierte Bremer Neonazi-Szene dabei gespielt hat.

Der Brandanschlag, der letztlich von den drei Angeklagten ausgeführt wurde, war nämlich bereits eine Woche zuvor in der Schwachhauser Jugendclique, die sich wegen ihres Treffpunktes vor einem Supermarkt in der H.H.-Meier-Allee auch „Penny- Crew“ nennt, geplant worden. Auch beim Basteln der drei Molotow-Coctails am Abend vor dem Anschlag waren rund zehn Mitglieder der Clique dabei. Gegen mindestens fünf von ihnen läuft jetzt ein Strafverfahren, weil sie den Anschlag, von dem sie wußten, nicht angezeigt hatten. Bei der Polizei ausgepackt — und damit den entscheidenden Hinweis zur Festnahme der Täter geliefert — hatte nur ein einziges Mitglied der Penny-Crew.

„Wir sind eine Jugendgruppe, in der alles vertreten ist, von links bis rechts“, erklärte gestern Oliver D., einer der Angeklagten, vor Gericht, fügte auf Nachfrage des Richters dann aber noch hinzu: „Linksradikale sind allerdings nicht dabei.“ Lediglich beim Bau der Molotow-Coctails habe man sich Informationen aus dem „Handbuch der Linken“, einer Zeitschrift der autonomen Szene, bedient. Mit Neonazismus oder Ausländerfeindlichkeit habe der Anschlag bestimmt nichts zu tun, versicherte Hannes O. dem Gericht. Wenn es einen Zusammenhang mit dem „Tag der Deutschen Einheit“ gegeben habe, dann „höchstens im Unterbewußtsein“.

Zumindest ein Mitglied der Penny-Crew ist jedoch keineswegs so „unpolitisch“, wie sich die drei Angeklagten gestern gaben. Thorsten Bunk, gegen den die Staatsanwaltschaft ebenfalls im Zusammenhang mit dem Nichtanzeigen des Brandanschlags ermittelt, war Kandidat der „Nationalistischen Front“ bei der letzten Bürgerschaftswahl und bis Anfang des Jahres auch Schriftleiter der „Hilfsgemeinschaft für Nationale Gefangene (HNG). Sein Nachfolger in dieser Funktion ist der frühere Vorsitzende der neonazistischen FAP, Markus Privenau, der vor einigen Jahren bei einer Schießübung im Niedervieland einen Jäger erschossen hatte.

Ob auch die drei angeklagten Brandstifter direkte Beziehungen in diese Neo-Nazi-Kreise hinein haben, blieb gestern noch offen. Ihre Anwälte versuchten gestern bereits mehrmals, die Motivation der Täter allein aus der im Sommer 1991 stark aufgeheizten Stimmung gegen das in Bremer Medien immer wieder als „Dealervilla“ bezeichnete Schwachhauser Flüchtlingsheim zu erklären. Erstaunlich übereinstimmend äußerten sich auch alle drei Angeklagten in diesem Sinn. „Früher hatten doch auch Schwachhauser Bürger dagegen demonstriert,“ erinnerte sich zum Beispiel Hannes O., „und dann haben wir gedacht, wir müssen auch mal was tun.“ Über die Gefahren eines solchen Brandanschlags für die Bewohner des Flüchtlingsheims hätten sie „vorher überhaupt nicht nachgedacht.“

Der Prozeß, aus dem die zuständige Jugendkammer des Landgerichts die Öffentlichkeit bis auf die Pressevertreter gleich zu Beginn ausgeschlossen hatte, wird am kommenden Mittwoch mit Zeugenaussagen der anderen Penny-Crew-Mitglieder fortgesetzt. Das Urteil soll Mitte Mai fallen. Dirk Asendorpf