Treuhand besteht auf Riva

■ Treuhand hält das Angebot der italienischen Stahlgruppe zur Übernahme der Hennigsdorfer Stahl AG für das bessere/ Stolpe soll vermitteln

Hennigsdorf/Berlin (taz) — Die Stahlwerker in Hennigsdorf hielten auch am Montag ihren Betrieb besetzt. Begonnen hatte die Blockade Ende vergangener Woche, als die Belegschaft von den Absichten der Treuhand erfuhr, die Werke in Hennigsdorf und Brandenburg an die italienische Riva-Gruppe zu verkaufen. Abgelehnt worden sei das Angebot des Konsortiums, bestehend aus der Thyssen Stahl AG, der Badischen Stahlwerke AG und der Saarstahl AG, obwohl dieses mehr Arbeitsplätze erhalten wollte. Im Verlaufe des Tages signalisierten der Betriebsrat und die IG Metall ihre Bereitschaft zur sofortigen Arbeitsaufnahme. Voraussetzung sei eine befristete Beschäftigungsgarantie für alle 5.000 Arbeitnehmer. Mit einer Übernahme des Stahlwerkes müsse zugleich die Arbeitsplätze im sogenannten Servicebereich bestehen bleiben. Dazu solle das Ausschreibungsverfahren für alle Anbieter neu eröffnet werden. Nach Ansicht der Gewerkschafter bieten die Angebote des deutschen Konsortiums die besten Voraussetzungen für eine Gesamtübernahme. Der von der Treuhand favorisierte Verkauf an den italienischen Stahlkonzern Emilio Riva sähe dagegen nur den Erhalt von etwa 800 Arbeitsplätzen vor.

Die Angabe zu den Anbietern bezeichnete Treuhandvorstand Dr. Hans Krämer als „schlichtweg falsch“, weil sie nicht den eingereichten Unterlagen entsprechen würde. Danach sichert die Riva- Gruppe rechtlich verbindlich zu, an den Stahlstandorten Hennigsdorf und Brandenburg je 900 Dauerarbeitsplätze erhalten zu wollen. Das Konsortium hingegen will zwar für die nächsten zwei Jahre insgesamt 2.350 Beschäftigte übernehmen, aber langfristig auch auf eine Anzahl von 1.700 an beiden Stahlstandorten heruntergehen.

Das Konsortium will 1,1 bis 1,5 Millionen Tonnen Stahl im Kerngeschäft produzieren und 140 Millionen Mark investieren. Mit 1,5 bis 2,4 Millionen Tonnen Stahl und Investitionen in einem Umfang von 200 Millionen Mark befindet sich Riva auch bei diesen Kriterien in der Vorderhand. Außerdem will das italienische Unternehmen bis zu 760.000 Tonnen Stahl am Orte zu Matten verarbeiten, die deutsche Gruppe hingegen weniger als die Hälfte. Das sind die Angaben, die bis zum Bietungsschluß am 25.Oktober dieses Jahres bei der Treuhand vorlagen. Wenn das deutsche Konsortium in den letzten Wochen „Nachbesserungen“ versprochen hat, auf die sich die Arbeitnehmerproteste möglicherweise stützen, so Krämer, dann könne seine Behörde aus Gründen der Chancengleichheit darauf nicht eingehen. Ausländische Unternehmen müßten vor Diskriminierung geschützt werden, nicht zuletzt weil „die Deutschen allein den Aufbau in den neuen Bundesländern nicht bewältigen können“. Ob Riva endgültig den Zuschlag erhält, muß noch durch den Verwaltungsrat der Treuhand und die EG-Kommission bestätigt werden. Krämer bekundete „volles Verständnis“ für die Stahlwerker. Der drastische und unausweichliche Arbeitsplatzabbau aber sei „keine Frage der Investoren“, sondern Folge der DDR-Mißwirtschaft. In einem „schmerzlichen Umstrukturierungsprozeß“ müßten nun die Kapitalbildung nachgeholt und die Betriebe auf effektive Produktion eingestellt werden.

Vertreter von IG Metall und Betriebsrat, der zuständigen brandenburgischen Ministerien und der Treuhandanstalt trafen am Montag nachmittag mit Ministerpräsident Manfred Stolpe zusammen, um vor allem über die Finanzierung und Ausstattung einer Auffanggesellschaft für die von der Entlassung bedrohten Stahlwerker zu beraten. Irina Grabowski