Kaiserwetter im Prinzenbad bei 30 Grad

■ Das Hoch »Leopold« bescherte den BerlinerInnen gestern einen sommerlichen Ferienanfang/ Menschenschlangen vor den Freibädern

Berlin. Meterlange Schlangen vor den Freibädern, stickige Hitze in den U-Bahnen und steigende Ozonwerte in der Stadt: das Hoch »Leopold« sorgte gestern mit 30 Grad im Schatten für einen wahrhaft sommerlichen Ferienanfang. Die meisten Schüler, die gestern zum letzten Mal vor den großen Ferien die Bank drücken mußten, marschierten nach der Zeugnisausgabe direkt in die Badeanstalt.

Am Kreuzberger Prinzenbad standen die Menschen in zwei Reihen hundert Meter weit die Straße rauf und warteten auf Einlaß. Im Prinzenbad selbst machten sich weniger die Schüler als vielmehr die Ein- bis Dreijährigen bemerkbar: »Wir haben hier ein zweijähriges nackiges Mädchen mit weißen Schwimmflügeln«, brüllt der Bademeister durch das Megaphon. Im Drei-Minuten- Rhythmus suchen Kinder ihre Mütter, Mütter ihre Kinder.

Die Liegewiese ist strikt aufgeteilt: Links die Babys, vorn die Sechs- bis Zwölfjährigen, hinten die Teenager. Die einen liegen völlig erschlafft in der Sonne, andere toben sich den Weg zum Wasser frei, als hätten sie das ganze Jahr ihre Kräfte für die Ferien aufgespart. Ein Thema ist für alle tabu: »Zeugnisse? Was ist das?« Das größte Problem an diesem Sommertag ist das Wechseln der nassen Badekleider. Ein schlaksiger 14jähriger Junge steht in seiner Unterhose auf der Wiese und guckt ratlos große Löcher in die Luft. Dreimal hat er schon versucht, sich umzuziehen, jedesmal ist das Handtuch weggerutscht. Entnervt zieht er mit seiner Badehose in Richtung Umkleidekabinen.

Wer dem kühlen Naß unbedingt sauber entsteigen wollte, zog die 15 Freibäder und 17 Badeanstalten den Seen vor. Doch auch diese werden regelmäßig auf Schadstoffe untersucht. Nach einer solchen Routineuntersuchung wurde am Montag vom Baden in Hirschgarten, am Spreetunnel und in Rahnsdorf abgeraten.

Auch vor dem Europacenter waren sämtliche Café-Stühle besetzt. Man hing erschlafft auf seinem Sitz, leckte gedankenverloren an seinem Eis oder badete die geschwollenen Füße im Brunnen. Abkühlung versprach auch ein Kinobesuch. Vor dem Zoopalast warteten etwa dreißig Menschen auf Einlaß in die klimatisierten Räume.

Am Abend zog es viele in die Wälder und an die Strände. Beschauliches Gitarrengeklimper im Ohr, den Geruch gegrillter Schnitzel in der Nase, lagen Romantiker mit der Liebsten im Gras. Der Fleischgeruch lockte jedoch auch unliebsame Gäste an. Weil »Leichtsinnige und Unvernünftige« Lagerfeuer entfacht hatten, mußte die Wasserschutzpolizei Montag nacht »acht Ordnungswidrigkeitenverfahren einleiten«. Anja Seeliger