Klöckner-Härlin-Prozeß nach sieben Jahren eingestellt

■ Die früheren Mitherausgeber der Zeitschrift 'radikal‘ akzeptierten 3.000-DM-Spende zur Einstellung des Verfahrens/ »Ein Nachgeschmack bleibt«

Berlin. Eines der umstrittensten Urteile gegen die Pressefreiheit gehört seit gestern endgültig der Geschichte an: Der fünfte Strafsenat des Berliner Kammergerichts hat das Verfahren gegen die Journalisten und früheren Mitherausgeber der Zeitschrift 'radikal‘, Benny Härlin und Michael Klöckner, nach mehr als siebenjähriger Verfahrensdauer eingestellt. Härlin und Klöckner waren am 1.März 1984 wegen Werbung für eine terroristische Vereinigung (Paragraph 129a) sowie Aufforderung zu und Billigung von Straftaten zu zweieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) der Revision der fünf Wahlverteidiger im Februar 1990 stattgegeben und das Urteil aufgehoben hatte, wurde das Verfahren an einen anderen Senat des Kammergerichts zurückverwiesen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde das Verfahren jetzt eingestellt. Bedingung für die Einstellung war, daß Härlin und Klöckner jeweils 3.000 Mark Geldspenden an Greenpeace beziehungsweise amnesty international überweisen und auf eine Haftentschädigung für ihre neunwöchige Zeit in Untersuchungshaft verzichten. Der rechtskräftige Beschluß flatterte den beiden Journalisten gestern ins Haus.

In der Zeitschrift 'radikal‘ wurden Formen des politischen Widerstands diskutiert und Erklärungen militanter Gruppen, unter anderem auch der »Revolutionären Zellen«, dokumentiert. Ermittelnder Staatsanwalt und Anklagevertreter im Klöckner-Härlin-Prozeß war seinerzeit der Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Przytarski, der heute Direktor beim Landeseinwohneramt ist und von Innensenator Heckelmann zum Abteilungsleiter für Personal in der Innenverwaltung befördert werden soll.

Przytarski, der in dem Prozeß von einem unerbittlichen Verfolgungsdrang beseelt zu sein schien und das Urteil von zweieinhalb Jahren feuchtfröhlich mit dem Gericht und den Zwangsverteidigern feierte, quittierte die Einstellung gestern auf Nachfrage der taz mit einem Lachen. Die Zeiten hätten sich inzwischen geändert, meinte er. Die Frage, ob er jetzt enttäuscht sei, wies Przytarski entrüstet von sich: »Ich wünsche niemandem, in den Knast zu kommen, auch Härlin und Klöckner nicht.«

Das Verfahren gegen Härlin und Klöckner hatte in der Zeit zwischen 1984 und 89 geruht, weil die beiden Journalisten von den Grünen als Abgeordnete ins Europaparlament geschickt worden waren. Der Antrag der Staatsanwaltschaft, die Immunität aufzuheben, wurde von den Parlamentariern mit dem Hinweis verweigert, in den EG-Staaten gelte das Recht auf freie Meinungsäußerung. Der BGH stellte in seiner Aufhebung des Urteils Anfang letzten Jahres in Frage, ob die Angeklagten den unkommentierten Abdruck der Bekennerschreiben in der 'radikal‘ zu verantworten hätten und damit wirklich für eine terroristische Vereinigung werben wollten. Härlin und Klöckner akzeptierten die Bedingungen, die jetzt zur Einstellung des Verfahrens führten, weil sie keine Lust hatten, noch einmal wochenlang die Anklagebank zu drücken. Das Ziel ihrer Verteidigung, »Aufhebung des unsäglichen und für Journalisten gefährlichen Urteils«, sahen sie außerdem erreicht. »Trotz aller Befriedigung über das Ende«, so Härlin-Verteidiger Ströbele gestern zur taz, »bleibt ein schaler Nachgeschmack, weil eine volle Rehabilitierung durch den eigentlich gebotenen Freispruch nach so langer Zeit nicht mehr möglich war.« plu