Immer rin inne Integration

PRESS-SCHLAG Der DFB feiert sich selbst, weil Deutsche in der deutschen Auswahl spielen

Dass Mesut Özil auch türkische Wurzeln hat, ist sein Vorteil. Und keine „Integrationsleistung“ des DFB

Der eine ist Präsident, der andere Profifußballer. Der Präsident sagt, dass es doch ganz toll ist, weil im Fußball so viel für die Integration geleistet wird, „auch über Sprachbarrieren oder kulturelle Unterschiede hinweg“. Der Fußballer aber sagt: „Viele vergessen, dass ich in Gelsenkirchen geboren wurde, in Deutschland aufwuchs.“

Wenn man höflich und zurückhaltend wäre, könnte man schreiben, dass hier zwischen DFB-Chef Wolfgang Niersbach und dem Mittelfeldspieler Mesut Özil ein Missverständnis zum Ausdruck kommt. Aber fürs Höfliche und Zurückhaltende ist diese Kolumne nicht erfunden worden. Also: Herrn Niersbach gilt es offensichtlich als zu behebender Nachteil, dass Özils Eltern aus der Türkei kommen, dass Özil, dessen Muttersprache Deutsch ist und der erfolgreich in Spanien und England gearbeitet hat, auch noch gutes Türkisch spricht, und vermutlich auch, dass er Mesut heißt und nicht Heinz oder Uwe oder Wolfgang.

Mesut Özil sagte jüngst im Interview mit der Sport-Bild: „Dass ich in zwei Kulturkreisen groß geworden bin, das ist ein Vorteil für mich.“ Seine fußballerische Entwicklung begründet Özil mit dem, was er jeweils aus der deutschen und türkischen Spielkultur für sich mitnehmen konnte.

Nimmt man zur Kenntnis, dass Özil mittlerweile zur Weltklasse gehört, ist es schon sehr denkwürdig, wenn Wolfgang Niersbach ausgerechnet auf Mesut Özil, auf Jérôme Boateng oder auf Lukas Podolski verweist, um zu zeigen, was man Eingliederung erreichen kann.

„Es ist wichtig, dass wir inzwischen Spieler haben, die Weltmeister geworden sind“, sagt Niersbach, und vermutlich glaubt er sogar selbst dran. Aber: Nicht der DFB war so großherzig, sich fremden, gar undeutschen Kickern zu öffnen. In Wirklichkeit hat der DFB es aus deutschnationaler Überheblichkeit viele Jahrzehnte lang verpennt, Talente, die in hiesigen Vereinen kicken, zu fördern und in seine Auswahlteams zu holen. Erst als Frankreich 1998 mit einer équipe multiculturelle Weltmeister wurde, holte der DFB den ersten in der Türkei geborenen Deutschen in die Nationalelf. Soll heißen: Nach vier Jahrzehnten Einwanderung nach Deutschland und nach genauso langer sportlicher Betätigung von Einwanderern in diesem Land, hatte der DFB endlich bemerkt, dass er mit seinem biodeutschen Personal nichts mehr reißen kann und endlich alle Talente dieses Landes fördern muss. Und erst seit 2005, mit der Modernisierungsoffensive von Klinsmann und Löw, wurden Talente wirklich ohne Ansehen ihrer Herkunft oder Hautfarbe gefördert.

Deswegen ist es auch besonders unappetitlich, wenn sich der DFB jetzt anlässlich der Verleihung seines „Integrationspreises“ für sein hach gelungenes soziales Engagement feiern lässt. Es ist eben nicht nett und schön für die Özils, Boatengs und Podolskis, dass sie beim Weltmeister spielen dürfen, sondern umgekehrt wird ein Stollenschuh draus: Ohne diese Spieler wäre die DFB-Auswahl nicht Weltmeister geworden. Und: Es ist kein Akt vorbildlicher Sozialpolitik, Talente, die wie Özil und Boateng in Gelsenkirchen oder Berlin geboren wurden oder wegen ihrer Kindheit in Bergheim ein breites Kölsch wie Podolski sprechen, spielen zu lassen.

Noch ein wenig deutlicher formuliert: Der DFB hat nicht wegen irgendeines sozialen Engagements eine Weltklasseauswahl, sondern trotz seiner Blödheit. MARTIN KRAUSS