Der kämpferische Deserteur

Held – das Wort könnte sich aufdrängen. Aber Ludwig Baumann mag es nicht. Es klingt so sehr nach Kampf und Krieg, und gerade die Nazi-Propaganda versuchte mit Heroen-Kult die Massen zu begeistern. Alles, was Baumann verhasst ist, alles wogegen er seit Jahrzehnten politisch arbeitet und kämpft – es schwingt in diesem Wort mit.

Denn Baumann, am 13. Dezember 1921 in Hamburg geboren, ist der bekannteste Deserteur Deutschlands. In Bordeaux hatte er, als 21-jähriger Wehrmachtssoldat, mit einem Freund Hitlers Truppen verlassen. Weil sie niemanden erschießen wollten, konnte eine deutsche Patrouille sie kurz darauf gefangen nehmen: Sie wurden zum Tod verurteilt, dann zu Haft begnadigt. Sein Freund starb im KZ, Baumann hielt durch: 95 Prozent der Wehrmachts-Deserteure starben vor Kriegs-Ende. Baumann ist der letzte Überlebende.

Zum 90. Geburtstag ehrt ihn der Bremer Senat heute mit einem Empfang für den Gründer der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz. Eine Selbstverständlichkeit? Müsste es sein. Ist es aber nicht: Lange wäre das sogar völlig undenkbar gewesen. Denn damit sich die Erkenntnis Bahn bricht, dass es im Unrecht keinen Verrat geben kann, und dass jene, die sich dem Verbrecherstaat verweigert hatten, zu ehren sind und nicht zu diffamieren, bedurfte es einer mehr als zähen politischen Auseinandersetzung. Zu ihren peinlichsten Volten gehörte, dass 1997 der Bremer Senat Henning Scherfs in der Länderkammer gegen die Rehabilitierung der Deserteure stimmte, nachdem er 1996 die Bundesrats-Initiative selbst gestartet hatte. Auch die rot-grüne Bundesregierung hatte das Thema fast vergessen – bis Jan Korte von der Linksfraktion 2002 einen alten SPD-Antrag erneut in den Bundestag einbrachte. Den konnte die nicht gut ablehnen.

Bei der Abstimmung saß Baumann auf der Besuchertribüne, auch 2009, als die Urteile gegen die so genannten Kriegsverräter aufgehoben wurden. „Immer war er der Motivator“, sagt Korte. Der Bremer habe „viel für die Demokratisierung dieses Landes getan“. BES