Bekennervideo-Macher in Haft

TERROR Die GSG 9 nimmt einen weiteren mutmaßlichen Helfer der Neonazi-Terroristen fest. Er soll den Bekennerclip erstellt und dem Trio seine Bahncard gegeben haben

Warum braucht ein Terrortrio, das 14 Banken ausgeraubt haben soll, Rabattkarten zum Zugfahren?

VON WOLF SCHMIDT
UND PAUL WRUSCH

BERLIN taz | Am Donnerstagmorgen hat die Spezialeinheit GSG 9 in der Brandenburger 1.000-Seelen-Gemeinde Mühlenfließ südwestlich von Berlin einen weiteren mutmaßlichen Helfer der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) festgenommen.

Der 32-Jährige Andre E. soll schon seit 2003 in engem Kontakt mit dem Terrortrio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe gestanden haben. Im Jahr 2007 soll er dann das Bekennervideo des NSU erstellt haben, so der Vorwurf der Bundesanwaltschaft. Der Film ist 15 Minuten purer Menschenhass: Zehn Morde an Migranten und an einer Polizistin feiert die Neonazi-Gruppe dort, auch für zwei Bombenanschläge in Köln 2001 und 2004 rühmt sie sich. Durch das Video führt die Comicfigur Paulchen Panther mit zynischen Kommentaren aus dem Off: „Von jeher Leidenschaft erweckt die Jagd aufs lebende Objekt.“

Doch nicht nur bei der Bekenner-DVD soll der 32-Jährige dem Terrortrio geholfen haben. Die Ermittler fanden bei den mutmaßlichen NSU-Terroristen auch auf Andre E. und dessen Frau ausgestellte Bahncards. Böhnhardt und Zschäpe sollen sie benutzt haben. Es ist ein weiteres schräges Detail in den Ermittlungen. Denn warum sollte jemand das Risiko eingehen, untergetauchten Neonazis seine Bahncard zu geben? Und warum braucht ein Terrortrio, das 14 Banken ausgeraubt haben soll, überhaupt Rabattkarten zum Zugfahren?

Der jetzt festgenommene Andre E. ist kein ganz Unbekannter. Er und sein Zwillingsbruder Maik sollen sich früher in der rechtsextremen Szene im sächsischen Johanngeorgenstadt bewegt haben, wo eine kleine Gruppe von Neonazis namens „Brigade Ost“ ihr Unwesen trieb. Auch der sächsische Verfassungsschutz beobachtete wenige Jahre nach der Jahrtausendwende die Neonazi-Szene in dem Erzgebirgsstädtchen – wie die Linken-Abgeordnete Kerstin Köditz glaubt, auch mithilfe eines V-Manns. Weder das Innenministerium noch der Verfassungsschutz wollten sich dazu äußern.

Verbindung zur NPD

Der Bruder des nun Festgenommenen, Maik E., ist heute ein führender Kader der NPD-Jugendorganisation JN. In Potsdam leitet er deren „Stützpunkt“ – und bewohnt einen Hof im brandenburgischen Mühlenfließ, wo sein Bruder Andre E. nun festgenommen wurde. Der Hof galt schon länger als Szenetreff.

Andre E. selbst hatte zuletzt in Zwickau gewohnt – dort, wo auch Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe untergetaucht waren. Im Stadtteil Neuplanitz im Südwesten Zwickaus betrieb er bis vor Kurzem einen Internetversand, der unter anderem „T-Hemden“ im Angebot hatte – so nennt die rechte Szene T-Shirts. „Caput Mortuum“ hieß der Shop, Lateinisch für „Totenkopf“.

Und auch Andre E.s Frau ist schon im Zusammenhang mit der rechten Szene bekannt geworden. Als vor zwei Jahren Hacker die Kundendaten der unter Neonazis beliebten Klamottenmarke Thor Steinar offenlegten, stand ihr Name auf der Liste.

Andre E. ist nach dem seit eineinhalb Wochen inhaftierten Holger G. der zweite mutmaßliche Terrorhelfer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“, den die Polizei festgenommen hat. Am Mittag wurde E. mit dem Hubschrauber nach Karlsruhe geflogen, jetzt sitzt auch er in U-Haft.