Das Ende einer wunderbaren Feindschaft?

MEDIEN Eine WDR-Doku (Samstag, 23.30 Uhr) kocht den Streit zwischen Günter Wallraff und der „Bild“ wieder hoch. Springer-Chef Döpfner verspricht Aufklärung

„Wenn damals Dinge in unserem Haus gelaufen sind, die sich mit unseren Werten nicht vertragen, dann wollen wir das wissen“

SPRINGER-CHEF MATHIAS DÖPFNER

VON FELIX DACHSEL

Am Samstag sendet der WDR in seiner „Günter-Wallraff-Nacht“ einen sehenswerten Film, der seinen Inhalt bereits im Titel zusammenfasst: „Das Wallraff-Urteil und seine Folgen.“

Darin zeigt der WDR zum einen Filmausschnitte, die der Investigativreporter Ende der Siebziger drehte, als er sich verdeckt in die Redaktion der Bild-Zeitung in Hannover einschlich, um über die zweifelhaften Methoden des Boulevardblatts zu berichten. Zum anderen haben die zuständigen WDR-Redakteure den Chef des Springer-Verlags, Mathias Döpfner, vor die Kamera bekommen und zu den historischen Filmdokumenten befragt.

Wallraffs Film über die Arbeit der Bild wurde Ende der Siebziger zum Politikum.

Der damalige Fernsehprogrammdirektor des WDR, Heinz Werner Hübner, verfügte 1977, dass Wallraffs Film nicht im Fernsehen zu sehen sein dürfe. Wallraffs Methode der verdeckten Recherche kämen für eine „öffentlich-rechtliche Anstalt nicht in Frage“, so Hübner damals. 1981 widersprach der Bundesgerichtshof der Einschätzung Hübners. Die Methoden Wallraffs seien rechtens, so das Gericht. Erst 1992 strahlte Arte das historische Dokument aus, von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt. Doch der WDR hob den Sperrvermerk des einstigen Programmdirektors erst im August 2010 auf. Der WDR sei eben ein „schwerfälliger Laden,“ kommentiert Wallraff den Vorgang heute.

Bemerkenswert an der Dokumentation ist allerdings vor allem das Interview mit Springer-Chef Mathias Döpfner. Darin wird er mit Wallraffs Vorwurf konfrontiert, die Bild-Zeitung habe ihn in den Siebzigern mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes abgehört. Die überraschende Antwort des Springer-Chefs: „Wenn damals Dinge in unserem Haus gelaufen sind, die sich mit unseren Vorstellungen, mit unseren Werten […] nicht vertragen – und so sieht es aus – dann wollen wir das wissen.“ Man sei nun dabei, den Umgang mit Wallraff minutiös zu ergründen und aufzuklären.

Auf Anfrage der taz bestätigt die Pressestelle des Springer-Verlags die geplante Vergangenheitsaufarbeitung. „Im Moment recherchieren wir intensiv in allen uns zugänglichen Quellen und versuchen uns ein umfassendes Bild von der damaligen Situation zu machen und auch Wallraffs Abhörvorwürfe zu klären“, so ein Verlagssprecher. Wann, wie und wo Ergebnisse dieser Recherchen veröffentlicht werden, könne man aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

Günter Wallraff zeigt sich überrascht von der Offenheit des Springer-Chefs: „Ich finde es immer besser, zu reden als Heckenschützen in Stellung zu bringen“, sagt Wallraff.

Der Vorstoß von Döpfner ist nicht der erste Versuch des Konzerns, sich mit seinem größten Kritiker auseinanderzusetzen. Verlagsgründer Axel Springer sagte einst in einem Fernsehinterview, dass er wie ein Hund leide, wenn er morgens in die Bild-Zeitung schaue. Er wolle mit Kritikern reden, so Springer damals, zuallererst mit Wallraff. Doch das verhinderte die Bild – mit einem Brief der Redaktion an ihren Verleger.

Der neue Anlauf für Springers Auseinandersetzung mit Wallraff ist nach Aussage des Verlagssprechers Teil einer großen Aufklärungsoffensive: Der Verlag „beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit der eigenen Geschichte im gesellschaftlichen Kontext“.

Wallraff selbst sagt, er sei gespannt auf die Ergebnisse der Recherchen. Er selbst will herausfinden, was damals geschah, wer ihn abgehörte und wer dafür verantwortlich war. „Zum Freund der Bild-Zeitung werde ich dadurch sicher nicht“, so Wallraff.

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