OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Leo McCareys berühmte Screwball-Komödie „The Awful Truth“ steht ganz in der Tradition der kurzen „domestic comedies“, die der Hollywood-Routinier in den 1920er-Jahren mit dem Komiker Charley Chase gedreht hatte. Ausgangspunkt dieser Art der Gesellschaftskomödie sind sich lawinenartig ausbreitende Missverständnisse und wahnwitzige Zufälle, die ihrem jeweiligen Opfer keinerlei Möglichkeit zur Erklärung mehr lassen. Ein Prinzip, das McCarey auch in „The Awful Truth“ für seine Geschichte um ein geschiedenes Ehepaar (Cary Grant und Irene Dunne) anwendet, das sich gegenseitig die neuen Partner vergrault und schließlich wieder zusammenfindet. Wobei „Geschichte“ eigentlich nicht ganz das richtige Wort ist: Der Film hat ganz offensichtlich keinen Plot und entstand eher durch Improvisation am Drehort. Dabei griff der Regisseur gern auch auf bewährte Späße aus seinen anderen Filmen zurück. So gibt es nach McCareys eigener Auskunft die genaue Paraphrase von identischen Szenen aus „Part Time Wife“, und den Gag mit dem Hund, der immer die falschen Sachen zum falschen Zeitpunkt apportiert, hatte er bereits in der Chase-Komödie „What Price Goofy?“ verwendet. Lustig bleibt es trotz Recycling dennoch: McCareys Gespür für witzige und peinliche Situationen ist ebenso brillant wie das komische Timing seiner Stars.

Die besten amerikanischen Beziehungskomödien der Gegenwart dreht zurzeit Judd Apatow: „Beim ersten Mal“ handelt von dem ungleichen Paar Alison und Ben, das sich nach einer gemeinsam verbrachten Nacht irgendwie zusammenraufen muss, weil Alison schwanger geworden ist. Es geht also um Sex und seine Folgen, und das auf eine für amerikanische Verhältnisse total unverklemmte und erfrischende Weise: Hier wird gezeigt, was nötig ist (etwa der Versuch, eine für eine schwangere Frau bequeme Sexposition zu finden), und gesagt, was gesagt werden muss. Erwachsene Menschen reden auf erwachsene Art über erwachsene Dinge. Die Schauspieler spielen das ganz wunderbar, und ihre Dialoge sind dabei so witzig wie lebensnah. Vor allem aber blickt „Beim ersten Mal“ so seriös auf seine Figuren und ihre Probleme, dass man sich auch als Zuschauer ernst genommen fühlt. Und das Schönste daran: Das alles ist auch noch ungemein komisch.

Vornehmlich auf Archivmaterial der Nasa griff Werner Herzog für seinen Öko-Science-Fiction-Film „The Wild Blue Yonder“ zurück: Astronauten einer Shuttle-Mission schweben auf einer fiktiven Entdeckungsreise durchs All, derweil ein frustrierter Alien in einer besonders öden Gegend von Amerika herumsteht und von seinem zerstörten und mittlerweile unbewohnbaren Heimatplaneten erzählt. Den scheinen die menschlichen Raumfahrer jedoch gerade zu entdecken und als „neue Erde“ in Betracht zu ziehen. Die Botschaft lautet natürlich: Es gibt nur eine für uns bewohnbare Welt, und die sollten wir möglichst pfleglich behandeln. Der Film aus dem Jahr 2005 wird im Rahmen des „Ueber morgen“-Filmfestivals gezeigt, das sich mit relevanten gesellschaftspolitischen Fragen beschäftigt. LARS PENNING

„The Awful Truth“ (OmU), 10. 11., im Filmkunst 66

„Beim ersten Mal“, 8.–14. 11., im Cinema am Walther-Schreiber-Platz

„The Wild Blue Yonder“ (OmU), 11. 11., im FT am Friedrichshain