Berliner Platten
: Die Verfertigung von Rockmusik unter besonderer Berücksichtigung von Vorbildern: neue alte Versuche von den Beatsteaks, den Roovers und Le Mobilé

Eine weitgehend in Vergessenheit geratene, nur in Großbritannien immer noch beliebte Tradition ist die EP-nach-dem-großen-Knall. Um sich der eigenen Wurzeln zu versichern, spielen überraschend zu Erfolg gekommene Bands gern Platten ein, die weder Single noch Album sind und gern in limitierter Auflage daherkommen. Die Beatsteaks, eher aus Versehen in die Charts geratene Berliner Lokalhelden, haben diesen schönen Brauch stets in Ehren gehalten und lassen ihn nun wieder aufleben. Auf der knackige 20 Minuten langen „Demons Galore EP“ findet sich der bereits vom vergangenen Album „Limbo Messiah“ bekannte, titelgebende Song, eine ganz komische Kollaboration mit dem Rapper Dendemann und natürlich Coverversionen, die – auch das ist Tradition – als Referenzpunkte dienen sollen: Guckt mal, da kommen wir her, soll das heißen. Die hier vorliegende Auswahl ist mal naheliegend („Pretty Fucked Up“ von den musikalisch verwandten Supersuckers aus Seattle), mal eher ehrerbietend („Sabotage“ von den Beastie Boys), mal ziemlich obskur („Marmelade und Himbeereis“ von der Schweizer NdW-Band Grauzone). Wirklich seltsam nur der Versuch der Beatsteaks, Joy Divisions „She’s Lost Control“ zu covern, denn die düstere Anmutung des Songs passt so gar nicht zum aufgekratzten Spaßpunk, mit dem die Beatsteaks zur Top-Ten-Band geworden sind. In diesem Fall gilt unbedingt, was so eine Coverversion dem Fan ja auch immer sagen soll: Hört euch das doch auch mal im Original an!

Solch einen Gedanken bekommt man auch beim Debütalbum von The Roovers, und das seltsamerweise, obwohl die Berliner gar keine Coverversionen eingespielt haben. Allerdings ist ihr Rock so was von solide, dass er nicht nur fast schon altbacken klingt, sondern eben auch wie schon irgendwo anders viel zu oft gehört. Das ist musikalisch versiert eingespielt, abgeklärt produziert und nicht mal die Songs sind wirklich schlecht. Aber halt auch ziemlich brav mit lyrischen Höhepunkten wie „Rock it out loud, yeah“. Nie wird man das Gefühl los, dass hier eine Schülerband arg antiquierte Vorstellungen von der bösen Rockmusik hat, aber leider nicht wirklich eine eigene Idee entwickelt – das allerdings auf allerhöchstem Niveau in reiferem Alter.

Die Idee von Le Mobilé, Indierock mit deutschen Texten anzufertigen, ist zugegebenermaßen so wahnsinnig originell nicht. Aber immerhin muss man sich für die Texte nicht fremdschämen: Wie im Titelsong „Tschaikowski“, der den Alltag einer fortgeschrittenen Beziehung, die langsam in Langeweile erstarrt, so wundervoll exakt beschreibt, wie das hierzulande sonst nur Frank Spilker von Die Sterne kann. Dazu jammert das Cello, und auch das mag ein Klischee sein, aber eins, das hier prima funktioniert. Der Song stammt bereits vom letzten Album der Band, dem 2006 erschienenen und ziemlich großartigen „Kartographie“. Auf „Tschaikowski“ wird das Titellied mit neuen Versionen oder Remixen alter Stücke und zwei Videoclips ergänzt. Ein prima Paket, um diese bislang zu Unrecht kaum bekannte Berliner Band kennenzulernen. THOMAS WINKLER

Beatsteaks: „Demons Galore EP“ (Warner) The Roovers: „The Roovers“ (Artfull/Cargo) Le Mobilé: „Tschaikowski“ (Sitzer/Broken Silence)