Schulhelfer: Schüler sind auf sich gestellt

Weil an vielen Schulen die Schulhelfer fehlen, müssen schwerbehinderte Kinder ohne adäquate Betreuung ins Schuljahr starten. Lehrer und Opposition halten die Situation für untragbar

Behinderte Menschen brauchen mehr Unterstützung Bild: DPA

Mindestens 150 Schülerinnen und Schüler mit häufig schwerwiegenden Behinderungen mussten am Montag ohne eine fachgerechte Betreuung ihr Schuljahr beginnen. Nach taz-Informationen hat die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung auch nach Schuljahresbeginn die Förderanträge besonders hilfsbedürftiger SchülerInnen aus vier Berliner Bezirken noch immer nicht geprüft. Für Emilija Fichtner, Leiterin der Panke-Schule, einer Ganztagsschule für geistig behinderte Kinder in Pankow, ist diese Situation untragbar: "Wir haben Schüler, die ohne Schulhelfer nicht beschulbar sind. Eigentlich müssten wir diese Kinder jetzt nach Hause schicken."

Schulhelfer betreuen Kinder mit teils schweren körperlichen oder geistigen Einschränkungen, etwa Autisten. Diese sind auf individuelle Begleitung in den Schulen angewiesen, um unterrichtet werden zu können - etwa weil die SchülerInnen autoaggressiv sind oder Hilfe beim Toilettengang benötigen.

Laut der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Tandem, Berlins größtem Träger zur Ausstattung der Schulen mit Schulhelfern, lagen am Montag für rund 150 SchülerInnen mit besonderem Förderungsbedarf noch keine Zusagen vor, ob und in welchem Umfang ihnen in diesem Jahr Schulhelfer begleitend zur Verfügung stehen. Dies betreffe alle Anträge in den Bezirken Tempelhof-Schöneberg, Lichtenberg-Hohenschönhausen sowie den Berliner Bezirken Pankow und Neukölln, sagte Urs Elssel, Bereichsleiter Schulhelfer bei Tandem.

Deshalb mussten viele Schulen in den betroffenen Bezirken am Montag improvisieren, um den Schulbetrieb aufnehmen zu können. Schulleiterin Fichtner sagt: "Nun müssen sich teils unqualifiziertes Personal und Lehrer um die Betreuung dieser Schüler mitkümmern - und damit leidet automatisch vom ersten Tag an der Unterricht für andere." Einer ihrer Schüler, so Fichtner, habe eine schwere Form von Diabetes, die mitunter zu lebensbedrohlichen Zuständen führen könne. "Hierfür fehlt uns derzeit die geeignete Betreuung." Obwohl sie für dieses Schuljahr sechs Schulhelfer benötige, seien ihr bislang nur drei zugesagt worden - und dies auch nur mündlich. Zwei der drei Schulhelfer arbeiteten derzeit ohne vertragliche Absicherung.

Ursache ist, dass neue Verträge mit Schulhelfern zur Förderung der betroffenen Kinder erst abgeschlossen werden können, wenn die Finanzierungsgrundlage seitens des Senats geklärt ist. Dies trifft laut Elssel derzeit erst für sieben Bezirke zu. Grund für die lange Bearbeitungsdauer in der Senatsverwaltung ist laut Doreen Kröber, Mitglied im Landeselternausschuss, die Tatsache, dass nur eine einzige Sachbearbeiterin für die Anträge aus ganz Berlin zuständig ist. "Dabei liegen die Anträge schon seit Juni der Senatsverwaltung vor."

Özcan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, sagte: "Es kommt leider häufig vor, dass Eltern nicht rechtzeitig über wichtige Belange informiert werden, aber für diese Familien ist es ganz besonders prekär, wenn der Senat es nicht schafft, rechtzeitig die Bescheide zu prüfen." Mieke Senftleben, FDP-Sprecherin für Bildung, sagte: "Gerade für autistische Kinder ist es essenziell, dass vom ersten Tag an eine adäquate Betreuung zur Verfügung steht. Diese Kinder können sonst nicht am Schulunterricht teilnehmen. Wenn das nicht gewährleistet ist, ist es eine schlichte Schweinerei." Aus der Senatsverwaltung war am Montag keine Stellungnahme zu erhalten.

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