Jetzt erst recht!

DISKUSSION Trotz einer Abmahnung des Senats will der Berliner Blog Metronaut seine gefälschte Olympia-Kampagne weiter zeigen. Diese ist inzwischen international bekannt

„Wir wollen weiterhin eine Unterlassungserklärung erwirken“

BERNHARD SCHODROWSKI, SENATSSPRECHER

VON MALENE GÜRGEN

„Ist dem Senat der Streisand-Effekt bekannt?“ lautet der Schlusssatz einer schriftlichen Anfrage, die der Linke-Landesvorsitzende Klaus Lederer am Mittwoch stellte. Barbra Streisand hatte 2003 erfolglos den Betreiber einer Website verklagt, auf der neben Tausenden anderen Luftaufnahmen auch ein Foto ihres Grundstücks veröffentlicht war. Erst durch die Klage der Sängerin wurde die Öffentlichkeit auf das Bild aufmerksam, das vorher völlig unbemerkt geblieben war. Der Senat, daher die Frage Lederers, ist nun offenbar genau diesem Effekt zum Opfer gefallen: Eine gefälschte Werbekampagne des Berliner Blogs Metronaut, bei der das Logo der aktuellen Kampagne zur Berliner Olympiabewerbung auf NS-Propagandamotive montiert wurde (siehe Abbildung), ist fünf Tage nach ihrer Veröffentlichung plötzlich weit über die übliche Reichweite des Blogs hinaus bekannt – weil der Senat den Autor abmahnen ließ.

Am Montagabend schickte der Senat seine Abmahnung, im Laufe der folgenden beiden Tage verbreitet sich die Geschichte schnell. Nicht nur deutsche Zeitungen berichten, auch internationale Medien, von der britischen Daily Mail über El Universal aus Mexiko bis zum US-Sender Fox News drucken bzw. bringen eine Agenturmeldung dazu. „Das ist natürlich ein schöner Effekt, dass die Geschichte jetzt erst recht so viel Aufmerksamkeit bekommt“, sagt der Metronaut-Autor John F. Nebel der taz.

Der Senat ließ den Blog wegen wahrheitswidriger Behauptungen abmahnen: Es werde behauptet, dass die auf dem Blog veröffentlichten Plakate Motive der Olympiakampagne seien. Der Beitrag sei nicht klar als Satire erkennbar gewesen, begründete Senatssprecher Bernhard Schodrowski das Vorgehen.

Nachdem die Blogger die fraglichen Motive zwischenzeitlich geschwärzt hatten, stellten sie sie am Dienstagabend wieder vollständig auf ihre Seite. „Wir sind überzeugt, dass es sich hier um völlig legitime Satire handelt“, sagt Nebel.

Außerdem schickten die Anwälte der Blogger ein Abwehrschreiben an die Kanzlei, die den Senat sowie den Olympiakampagnen-Sprecher vertritt. In dem Schreiben beziehen sie sich auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts, aus denen klar hervorgehe, dass Satire nur dann rechtlich anfechtbar sei, wenn ihre Kernaussage selbst unwahr ist. Dies sei hier nicht der Fall: „Die Satire hat den Zweck, den Betrachter auf den historischen Zusammenhang der gegenwärtigen Olympia-Bewerbung hinzuweisen und die gegenwärtige Werbekampagne kritisch zu hinterfragen“, heißt es, dabei handele es sich „zweifelsohne um eine zulässige Meinungsäußerung“.

Der Senat werde weiter anwaltlich gegen die Ursprungsfassung des Beitrags vorgehen, sagt Sprecher Schodrowski am Mittwoch. „Das ist momentan der Sachstand, wir wollen weiterhin eine Unterlassungserklärung erwirken.“ Das Vorgehen des Senats sei „kein Akt gegen Satire“, Satire müsse klar als solche erkennbar sein. „Hätte es in dem Beitrag etwa geheißen, irgendeine Nazigröße aus dieser Zeit hätte die Plakate persönlich vorgestellt, wäre das etwas anderes – immer noch geschmacklos, aber dann wäre klar gewesen, dass das nicht echt sein kann.“ So aber habe der Senat handeln müssen, auch um den zitierten Sprecher zu schützen.

Die Anwälte der Blogger widersprechen diesem Vorwurf in ihrem Schreiben: Der Beitrag sei klar als Satire erkennbar, sowohl durch ein entsprechendes Schlagwort als auch durch die angeblichen Plakatmotive selbst, auf denen etwa Jungen in HJ-Uniformen abgebildet sind – diese hätte jeder als gefälscht erkennen müssen.

Für das Bündnis „Olympia Verhindern“ ist das Vorgehen des Senats symptomatisch: „Der Senat versucht mit allen Mitteln, jede Kritik an der Olympia-Bewerbung für 2024 zu ersticken“, sagte Sprecherin Petra Sundermeier der taz.

Spenden für Rechtsstreit

„Wir wissen nicht, was als Nächstes kommt“, sagt Nebel. Er könne sich auch vorstellen, dass der Senat die Sache nicht weiterverfolgen werde: „Jeder Schritt steigert die Aufmerksamkeit ja noch mehr.“ Er sei froh über die Unterstützung, die der Blog seit Bekanntwerden der Abmahnung erhalte: Über 1.000 Euro seien ihnen bereits an Spenden zugesagt worden, sollte es tatsächlich zu einem Rechtsstreit kommen.