Spiel der kulturindustriellen Stereotype

KUNST Das Museum Weserburg zeigt die Arbeit „Still Men Out There“ des Videokünstlers Bjørn Melhus

Sowohl die in der Installation verwendete Musik wie auch die Dialoge sind vollkommen stereotyp.

Manche Kunstwerke wirken unmittelbarer als andere. Der Grad dieser Unmittelbarkeit ist nicht unbedingt ein Hinweis darauf, ob ein Kunstwerk besser oder schlechter ist – eine besondere Qualität steckt in einer solchen Unmittelbarkeit allerdings schon. Im Museum Weserburg wird seit einigen Tagen eine besonders unmittelbar wirkende Arbeit gezeigt. „Still Men Out There“ ist ihr Titel. Der bekannte Videokünstler Bjørn Melhus hat sie 2003 fertiggestellt. Bereits 1992 gewann er den ersten Bremer Videokunstförderpreis.

Das nun ausgestellte Werk gehört zur Sammlung des jungen Frankfurter Bankers Mario von Kelterborn. Die Weserburg zeigt seit letztem Herbst unter dem Titel „Komm und sieh“ einige Werke aus der Sammlung, die sich auf Werke der Medienkunst wie Fotografie und Video und politische Themen konzentriert.

Unmittelbar und politisch zugleich ist die Videoinstallation von Melhus, der Professor an der Kunsthochschule Kassel ist. In einem abgedunkelten Raum blinken auf dem Boden insgesamt 18 Monitore. Ihre Anordnung erinnert an Blumen, mit fünf Blütenblättern und einem Stempel in der Mitte. Alle Monitore sind mit dem Bild nach oben gedreht. Die Bilder, die über die Bildschirme laufen, sind abstrakt. Es handelt sich um monochrome Farbflächen, die manchmal aufscheinen und sich entlang der Blüten von Monitorblatt zu Monitorblatt schieben.

Manchmal wirkt es so, als würden die Fernsehblumen miteinander kommunizieren, sich möglicherweise gegenseitig zublinken. Ein Effekt, der ein wenig „old school“ wirkt. Ein Kommunikationssystem, weitab von jeglicher digitaler Technologie. Man fühlt sich an die kurzen Filme erinnert, die Samuel Beckett in den 60er Jahren fürs Fernsehen produzierte. Der melancholische Schriftsteller entwarf damals entmenschlichte Zukunftswelten als blinkende Spielfelder, über die sich uniforme Figuren willenlos zu schieben hatten.

Diese Art des entmenschlichten Funktionierens bestimmt auch auf einer anderen Ebene Melhus‘ Installation. Das Flackern der Monitore wird von bedrückenden Sounds begleitet. Man hört ein paar Takte der Erkennungsmusik von Metro-Goldwyn-Mayer, stimmungsvolle Filmmusik und heroische Monologe. Melhus hat hier Dialoge und Musik aus amerikanischen Kriegsfilmklassikern wie Oliver Stones „Platoon“ (1986), Terence Mallics „Der schmale Grat“ (1998) und Ridley Scotts „Black Hawk Down“ (2001) verwendet. Das erfährt man, wenn man etwas nachforscht. In Wirklichkeit sind die Quellen einigermaßen egal. Denn sowohl die in der Installation verwendete Musik wie auch die Dialoge sind vollkommen stereotyp.

Melhus reflektiert das, mit dem Spiel kulturindustrieller Stereotype hat er Erfahrung: Schon für seinen 2011 gedrehten Film „I‘am not the Enemy“ legte er seinen Protagonisten Zitate aus amerikanischen Kriegsfilmen in den Mund. Melhus selbst spielt hier die Rolle eines Kriegsheimkehrers und die seiner Eltern. Die Dinge, die sie sagen, sind schrecklich. Nur bedeuten sie nichts mehr.  Radek Krolczyk

„Komm und sieh“, Sammlung von Kelterborn: Verlängert bis 15.März, Museum Weserburg