Fabrik ohne Anschluss ans Stromnetz

ENERGIE Ein schwäbischer Mittelständler versorgt sich komplett selbst – vor allem mit Solarstrom von Dach und Fassade. Das lohnt sich durch die gesunkenen Kosten für Module und Batterien auch finanziell

FREIBURG taz | Friedhelm Widmann war die ewigen Miesmacher leid; jene, die immer wieder erklärten, die Nutzung von Solarstrom sei ohne Förderung nicht möglich. Also trat der Ingenieur den Gegenbeweis an und baute ein Firmengebäude, das komplett mit erneuerbaren Energien versorgt wird. Nicht nur ohne Fördergelder kam er dabei aus, sondern auch ohne einen Anschluss ans Stromnetz.

Energiefabrik hat der Geschäftsführer der Endreß & Widmann Solar GmbH aus Neuenstadt am Kocher in Württemberg das Projekt benannt. Das Unternehmen ist auf die Planung und Installation von Solaranlagen – der Schritt zur Eigenversorgung lag also durchaus nahe.

Um zu allen Tageszeiten die einfallende Sonne nutzen zu können, wurden die Fassaden in alle vier Himmelsrichtungen mit Photovoltaikmodulen bestückt, die Nordseite des Gebäudes wurde vor allem aus optischen Gründen mit einbezogen. Auf dem Flachdach sind zudem Module aufgeständert, sie weisen nach Osten, Süden und Westen. „So reduzieren wir die Mittagsspitze und haben zugleich Erträge von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang“ sagt Widmann. Überschüsse an Solarstrom werden für trübe Tage in einer Blei-Gel-Batterie mit 400 Kilowattstunden Kapazität zwischengespeichert.

In der Jahressumme liefern die Solarmodule mit zusammen 112 Kilowatt Leistung rund 85.000 Kilowattstunden Strom. 50.000 davon benötigt die Fabrik mit ihren 30 Arbeitsplätzen, der Rest wird mittels Wärmepumpe zum Heizen oder Kühlen eingesetzt, ferner zum Betanken von Elektrofahrzeugen – schließlich kann die Firma ihre Überschüsse ja nicht wie andere ins Netz einspeisen. Für Situationen, in denen der Solarstrom nicht reicht, gibt es noch ein Biogas-Blockheizkraftwerk (BHKW), das Strom und Wärme bereitstellt.

Wirtschaftlich sei das Konzept attraktiv, rechnet Widmann vor: Nur 6 Cent je Kilowattstunde koste ihn der Solarstrom; wird mit diesem Wärme erzeugt, koste die Kilowattstunde Wärme inklusive der Investitionen in die Wärmepumpe nur 4 Cent. Teuer freilich ist die Absicherung der Versorgung durch das BHKW, doch in der Mischkalkulation ergebe sich durch die Hauptenergiequelle Sonne eine durchaus preisgünstige Energieversorgung, sagt Widmann.

Kann der Unternehmer das aber womöglich nur so vorteilhaft rechnen, weil er als Solarbetrieb günstiger an die Module kommt? „Nein“, sagt der Ingenieur, „meine Berechnungen sind Marktpreise, wie sie auch für jedes andere Objekt gelten.“ Vermutlich wird der schwäbische Unternehmer also Nachahmer finden. Bisher jedoch ist er noch unangefochtener Pionier; ein Projekt vergleichbarer Dimension ist auch dem Bundesverband Solarwirtschaft nicht bekannt.

Wohnhäuser ohne Netzanschluss gibt es hingegen schon mehrere. Zum Beispiel in Freiberg in Sachsen, wo sich zwei Häuser mit jeweils 9,4 Kilowatt Photovoltaik komplett selbst mit Strom versorgen. Zugleich decken sie dank 46 Quadratmeter Solarkollektoren und einem gut 9 Kubikmeter fassenden Warmwasserspeicher auch ihren Wärmebedarf zu 65 Prozent solar.

Bislang fokussierten sich Solararchitekten vor allem auf eine autonome Wärmeversorgung, was mit Wassertanks ab etwa 40 Kubikmeter möglich ist. Doch inzwischen rückt die Stromautonomie ins Blickfeld; je billiger Batterien werden, umso größer dürfte die Zahl der Objekte werde, die sich kurzerhand aus dem Stromnetz verabschieden.

Ob diese Form der Autarkie aus Sicht der gesamten Energiewirtschaft wirklich sinnvoll ist, steht freilich auf einem anderen Blatt. Doch die Politik hat den Trend befeuert: Seit die Bundesregierung für selbst verbrauchten Solarstrom die EEG-Umlage eingeführt hat – von Kritikern als „Sonnensteuer“ bezeichnet –, suchen immer mehr Bauherren nach neuen Wegen. Widmann hat einen solchen gefunden – denn die „Sonnensteuer“ muss nur bezahlen, wer am Stromnetz hängt. BERNWARD JANZING