Der unerwartete Fall des Imam Idriz

Ein als reformorientiert geltender Imam will in München ein „Zentrum für Islam in Europa“ errichten und dort auch Prediger auf Deutsch ausbilden. Doch das Innenministerium warnt vor angeblichen Verbindungen zur Organisation „Milli Görüs“

Bisher galt der Imam als aufgeklärter und demokratischer Geistlicher

AUS MÜNCHEN WOLF SCHMIDT

Am Geld soll es nicht scheitern. Denn einen Finanzier für das „Zentrum für Islam in Europa München“ (ZIEM) gibt es schon: Sultan Bin Mohammed al-Qasimi, Herrscher von Schardscha, einem der sieben Vereinigten Arabischen Emirate. Der Widerstand des bayerischen Innenministeriums hingegen könnte die Pläne bereits im Keim ersticken.

Benjamin Idriz, Imam im 50 Kilometer südlich von München gelegenen Penzberg, hat in der Landeshauptstadt Gewaltiges vor. Er plant, ein 8.000 Quadratmeter großes Zentrum in der Münchner Innenstadt zu errichten, ähnlich dem jüdischen Zentrum. Das ZIEM soll nicht nur ein Gemeindehaus, einen Gebetsraum und ein Museum umfassen. Gleichzeitig sollen in einer angegliederten „Islamischen Akademie“ Imame und Religionspädagogen ausgebildet werden – in deutscher Sprache, genauso wie es Politiker seit Jahren fordern.

Doch nun hat sich das bayerische Innenministerium zu Wort gemeldet und vor Verbindungen der Islamischen Gemeinde Penzberg zu Milli Görüs gewarnt. Milli Görüs wird im aktuellen bayerischen Verfassungsschutzbericht als „islamistisch“ und „extremistisch“ bezeichnet. Das Innenministerium befürchtet, dass im geplanten Zentrum für Islam kein aufgeklärter, sondern ein „reiner Islam“ gelehrt werden könnte. „Ich bezweifle, ob die geplante Akademie eine echte Integration verfolgt“, sagt Innenstaatssekretär Georg Schmid (CSU).

Der aus Mazedonien stammende Idriz bestreitet die Vorwürfe vehement. Er sei ein durch und durch moderner und den europäischen Werten verpflichteter Imam. Bei einem Besuch Ende 2006 hatte noch Landtagspräsident Alois Glück (CSU) die Gemeinde Penzberg für ihre kulturelle Offenheit und die Zusammenarbeit mit den christlichen Kirchen gelobt, wie dessen Sprecher bestätigte. „Seit Jahren trete ich für Integration ein – und nun das“, sagte Idriz der taz.

In der Tat sehen die Pläne für das Zentrum nicht nach einem traditionellen oder gar fundamentalistischen Islamverständnis aus. So bekennen sich die Initiatoren in dem am Dienstag erstmals vorgestellten Konzept ausdrücklich zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Pluralismus und verlangen von Musliminnen und Muslimen „einen ernsthaften Prozess der geistigen Umstrukturierung“. Als Arbeitsschwerpunkte werden etwa Programme zur Bekämpfung von Zwangsehen, ein „Café International“ oder Deutsch- und Alphabetisierungskurse genannt – und eben eine Akademie für die Ausbildung von Imamen und Religionspädagogen. Bisher wird die große Mehrzahl der Imame in Deutschland im Ausland ausgebildet, die meisten von ihnen in der Türkei. Eine Ausnahme ist lediglich der konservativ-türkische Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) mit Sitz in Köln, der zumindest einen Teil seiner Prediger in Deutschland ausbildet. Islamische Religionspädagogen werden bisher nur an einer Handvoll Universitäten ausgebildet, etwa in Münster, Osnabrück oder Erlangen-Nürnberg. Wäre da das in München geplante Zentrum nicht ein weiterer Schritt nach vorne?

Unterstützung erhält Imam Idriz von der bayerischen Landtagsopposition. „Wer Menschen wie Idriz beschädigt, beschädigt den gemäßigten Islam insgesamt und bestärkt die Radikalen“, sagt SPD-Integrationsexperte Rainer Volkmann. Die Grünen warnen vor einem „Generalverdacht gegen Muslime“. Und auch die Stadt Penzberg solidarisiert sich demonstrativ mit dem Imam und der muslimischen Gemeinde – darunter die örtliche CSU und die beiden christlichen Kirchen.

Doch das Innenministerium bleibt bei seiner Haltung und hat in den vergangenen Tagen mehrmals nachgetreten. „Die Fakten sind eindeutig“, sagte Innenstaatssekretär Georg Schmid (CSU) der taz. So sei der Vorsitzende der Islamischen Gemeinde Penzberg, Bayram Yerli, noch 2005 Milli-Görüs-Mitglied gewesen. Auch die Vizedirektorin der Gemeinde soll 2004 auf einer Mitgliederliste geführt worden sein. Imam Idriz habe sich zudem in einer Rede vor wenigen Monaten positiv über die islamistische Organisation geäußert.

Idriz sieht das völlig anders: Er habe sich immer kritisch gegenüber Milli Görüs geäußert und sei deshalb auch schon von der Organisation angefeindet worden. „Ich bin enttäuscht“, sagt er.

Nun liegt das Konzept erst einmal bei der Stadt München. Die ist durch die Vorwürfe aus dem Innenministerium zumindest hellhörig geworden: „Nur wenn der Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit ausgeräumt ist, können wir die Anfrage der muslimischen Gemeinde Penzberg weiter behandeln“, sagte der für Migration zuständige Bürgermeister Hep Monatzeder der taz.