Der Doppelkopf-Katholik

PERSÖNLICHKEIT August Sandtel, der Probst von Bremen, war ein ebenso freundlicher wie hand- und trinkfester Seelsorger. In der erzprotestantischen Hansestadt hätte er sonst auch wenig Chancen gehabt

Mit Sandtel haben sich die Katholiken in Bremen aus ihrer Isolation befreit. Wer aggressiv gegen sie predigte, wurde zum Schnaps eingeladen

Ein „handfester und menschenfreundlicher Seelsorger“ sei Monsignore August Sandtel gewesen, ein „überzeugungsmächtiger Mensch“ und „leidenschaftlicher Doppelkopfspieler“, sagt Hans Koschnick. Der Ex-Bürgermeister, seine Frau Christine, Weihbischof Hans-Jochen Jaschke und Ehrendomherr Adalbert Keilus berichteten als ehemalige Weggefährten über ihre Erlebnisse mit dem Geistlichen, der von 1961 bis 1981 Propst in Bremen war. Propst Martin Schomaker hatte aus Anlass des 100. Geburtstages seines Vor-Vor-Vorgängers zu einem Empfang im Sommerfoyer in den Willehadsaal eingeladen.

Koschnick gab zu, dass er nicht für jede Geschichte über August Sandtel seine Hand ins Feuer legen würde, denn „das Jägerlatein“ habe der passionierte Jäger durchaus beherrscht. Aber dass der Geistliche bei seinen Besuchen im Rathaus stets einen Rotwein und eine Zigarre angeboten bekommen habe, könne er bezeugen. Mit Sandtel hätten sich die Katholiken in Bremen aus ihrer Isolation befreit. Er habe offensiv die Nähe zu den Menschen in der Hansestadt, zu seinen evangelischen Glaubensgeschwistern und auch zu den politischen Entscheidungsträgern gesucht und gefunden. An dem Tag, an dem in Berlin die Mauer gebaut wurde, sei Sandtel nach Bremen gekommen, um hier das Trennende zwischen den Konfessionen zu überwinden.

Christine Koschnick schilderte anschaulich, welche Berührungsängste es zwischen Katholiken und Protestanten bis in die 1960er Jahre hinein in Bremen gab. Als Katholikin aus dem Sauerland habe sie sich in ihrer neuen Heimat zunächst durchaus gegen Vorurteile wehren müssen. Der persönliche Respekt, den Sandtel sich bald nach seiner Ankunft erwarb, habe viel zur Anerkennung der Katholiken in Bremen beigetragen.

„Die Klugheit, Fairness und Verlässlichkeit eines Großbauern, der er letztlich immer geblieben sei“, charakterisieren für Weihbischof Hans-Jochen Jaschke den 1992 verstorbenen Kirchenmann Sandtel. Das Motto „Die Freude des Herrn ist unsere Kraft“ habe hervorragend zu dem lebenslustigen und tatkräftigen Priester gepasst, der leidenschaftlich predigen konnte. Der heutige Hamburger Weihbischof arbeitete von 1967 bis 1970 als Kaplan mit Sandtel in Bremen zusammen. Bis heute sei er dankbar, dass Sandtel ihm das Weiterstudium ermöglicht hatte, indem er sich nicht nur beim Generalvikar in Osnabrück, sondern auch persönlich beim heutigen Papst für ihn eingesetzt hatte. Ehrendomherr Adalbert Keilus, seit über 50 Jahren als Priester in Bremen tätig, war von 1960 bis 1969 Kaplan von Propst Sandtel. Er durfte den Geistlichen nicht nur theologisch beraten, sondern musste ihm auch als Chauffeur zur Verfügung stehen und im Notfall mit dem pröpstlichen Hund namens Zorn an der Weser Gassi gehen.

Um Geld für die St. Ursula Kirche in Schwachhausen einzuwerben, wurde Kardinal Frings in Köln besucht oder es ging mitten in der Nacht über die Dörfer zum Doppelkopfspielen nach Osnabrück. „Er saß gerne im vollen Ornat im Auto und hatte keinerlei Schwierigkeiten, erzbischöflich aufzutreten“, so Keilus.

Wenn ein protestantischer Mitbruder am Reformationstag aggressiv gegen die Katholiken predigte, wurde er von Sandtel kurzer Hand zum Doppelkopfspielen oder zum Schnaps eingeladen. Daraus seien viele Freundschaften entstanden. Gemeinsam mit Sandtel hat Adalbert Keilus dafür gesorgt, dass die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils zeitnah in den Bremer Gemeinden umgesetzt wurden. kna