Antifa kapert Neonazi-Event

Wilhelmshaven bleibt ein Aufmarsch der „National-Sozialistischen Bewegung Deutschland“ erspart: Die örtliche Antifa gab sich als Bündnispartner aus und sabotierte das Treiben der Rechten. Die akzeptieren vor Schreck sogar ein Verbot

Die Kundgebung ist vorab verboten worden. Angeführt von der Parole „Schluss mit der Fremdherrschaft“ wollte die „National-Sozialistische Bewegung Deutschland“ (NBD) eigentlich am heutigen Sonnabend durch Wilhelmshaven marschieren. Doch sogar wenn die Neonazis das Verbot per Gericht hätten aufheben lassen: Sie hätten nicht auftreten können. Einer örtlichen Antifa-Initative gelang es, die Leitung ihrer Kundgebung zu übernehmen.

„Der Coup klappte“, sagt Kurt Gloger, Sprecher der Initiative. Wohl aus Furcht davor, dass der NBD-Aufmarsch per Gericht durchgesetzt werden könnte, nahmen die Aktivisten per E-Mail Kontakt zum NBD-Bundesvorsitzenden Silvio Reinhold Krug auf – wobei sie sich als „Nazis“ ausgaben. Sie würden gerne an der Aktion teilnehmen, schrieben sie, zunächst aber müsse Krug ihnen erläutern, wie die NBD zum Holocaust stehe. Offen bekannte der Vorsitzende, das „Thema Holocaust“ sei „ein feuriges Spiel“, das die NPD nicht anspreche. Für die NBD allerdings sei der „Holocaust“ eine „reine Erfindung um den ‚bösen‘ deutschen etwas heimzahlen“ zu können. Die „angeblich umgekommenen Juden“ und ihre „Nachkommengeneration“ säßen „in New York“, von wo aus sie ein „kapitalistisches Machtspiel“ betrieben.

Im Gegenzug fragte Krug bei den vermeintlichen Gesinnungsgenossen an, ob sie nicht vielleicht Lautsprecher für die Kundgebung hätten, denn der NBD-eigene sei „beschädigt“. Auch wollte er wissen, inwieweit die Wilhelmshavener nicht auch „Ordnerkräfte“ und einen Versammlungsleiter stellen könnten. Er selbst als Anmelder könne die Leitung nämlich nicht übernehmen. In einem Telefonat sagte Krug, der zu findende Versammlungsleiter könne „auch minderjährig“ sein.

Die Undercover-Antifaschisten versprachen dem Neonazi, all seine Probleme mit dem Aufmarsch zu lösen. Ein Vorabtreffen ließen sie platzen – unter Hinweis auf einen angeblichen Angriff „von Antifas“. Den habe es zwar nie gegeben, sagt Gloger, aber Krug habe den „Kameraden“ geglaubt und über die „Antifa-Plage“ gewettert.

Die feindliche Übernahme des Marschs, sagt Gloger, sei durch die mangelnde Unterstützung der NBD durch NPD und die Kameradschaft AG Wiking vor Ort erleichtert worden. „Gegen das Verbot hat der Anmelder keine Rechtsmittel eingelegt“, sagt eine Sprecherin der Stadt – und glaubt: „Das wird er wohl auch nicht mehr.“ Dafür hält das „Bündnis gegen Rechts“ eine Kundgebung ab: Schließlich sitzt die NPD im Wilhelmshavener Stadtrat. ANDREAS SPEIT