Juristischer Streit ums Dasein

Eine Frau fand sich von Brüggemeyer zu unvorteilhaft porträtiert

Es hätte ein schöner Sommer für Maik Brüggemeyer werden sollen. Für Ende Juli war beim Berliner Aufbau Verlag sein Debütroman „Das Da-Da-Da-Sein“ angekündigt. Das Interesse am Buch des Rolling-Stone-Journalisten war groß, positive Rezensionen sind bereits erschienen und die Anfangsauflage von 5.000 Stück war unterwegs in die Verkaufsregale. Doch dort ist der Roman bis jetzt nicht erhältlich.

Brüggemeyer beschreibt darin das Zerbrechen einer Beziehung, mal bitter, mal humorvoll, unterfüttert durch allerhand philosophische und musikalische Zitate. Der Verlag stoppte nun die Auslieferung des Buches – „aufgrund einer rechtlichen Auseinandersetzung“. Es fand sich eine Frau zu genau und unvorteilhaft von Brüggemeyer porträtiert. Nicht nur für den Verlag eine Überraschung: „Wir haben keinesfalls damit gerechnet, Anstoß zu erregen“, sagt Pressesprecherin Bettina Huber der taz. Gerade die umfangreiche Prüfung biografischer Hintergründe sei für Verlage „äußerst schwierig“.

Hinter dem vorläufigen Stopp des „Da-Da-Da-Seins“ schwelt eine Debatte, die spätestens nach dem Verbot von Maxim Billers Roman „Esra“ (2003) zunehmend Juristen, Verlage und Autoren beschäftigt: Eine Grundrechtsdebatte um Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht. Das Bundesverfassungsgericht entschied 2007 zugunsten der Klägerin – Billers Exfreundin –, allerdings wurde deren Forderung nach Schadenersatz vom Bundesgerichtshof 2009 zurückgewiesen.

Zuletzt kam das Buch des Schauspielers Christoph Maria Herbst „Ein Traum von einem Schiff“ (Scherz Verlag) nach einer einstweiligen Verfügung erst teilweise geschwärzt wieder auf den Markt. Unstrittig ist, dass die Verlage seit dem Esra-Urteil Angst vor teuren Gerichtsprozessen haben. Autoren finden dementsprechend in ihren Verträgen häufig einen Passus, mit dem sie garantieren, Persönlichkeitsrechte Dritter zu wahren. Mögliche juristische Auseinandersetzungen würden also Schriftsteller, die vermeintlich zu nah am Erlebten bleiben, empfindlich treffen. Nicht ganz zu Unrecht fragt Uwe Wittstock in der aktuellen Ausgabe des Focus daher nach einer „Literatur ohne Biss“.

Ebenso scheint die Forderung nach ausreichender ästhetischer Verfremdung durch den Autor nachvollziehbar und relevant. Das Recht auf Intimsphäre und Menschenwürde ist von elementarer Bedeutung, jedoch bleibt Literatur stets fiktional. Gerade dieser Aspekt ist – egal wie hoch sein Wiedererkennungswert auch sein mag – fernab emotionaler Spitzfindigkeiten schützenswert. Die Literaturwissenschaft lehrt zu Recht, unablässig Distanz zu Autor und Text zu wahren.

Maik Brüggemeyer musste seine erste Textfassung korrigieren, die neue Version soll im September erscheinen. JAN SCHEPER