Twitter statt Ticket

NAHVERKEHR Schwarzfahrer warnen sich gegenseitig in Online-Netzwerken vor Kontrolleuren in Bussen und Bahnen. Die Verkehrsbetriebe verweisen auf hohe Einnahmenverluste

BERLIN taz | Die Warnung ist kurz und präzise: „bus 51 richtung moosach jetzt in laim, ein asiate und ein älterer herr“. Wer mit seinem Smartphone die Twitternachrichten oder die Facebookseite von „mvvblitzer“ im Blick hat, weiß nun, dass er jetzt besser ohne Fahrkarte nicht in diesen Bus steigt.

So wie in München verständigen sich Schwarzfahrer in verschiedenen deutschen Städten über den Ort und den Zeitpunkt von Kontrollen in Bussen, Bahnen und U-Bahnhöfen, um andere zu warnen. Die Einträge bei den sozialen Netzwerken Twitter und Facebook erinnern an Blitzermeldungen im Radio. Von einem internetfähigen Handy ist die Warnung schnell ins Netz gestellt.

Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) sieht diese Aktion gelassen. „Die Meldungen sind kurze Momentaufnahmen. Unsere Kontrolleure sind in aller Regel permanent unterwegs und wechseln häufig Züge“, sagt Sprecherin Bettina Hess. Schwarzfahrer seien aber in jedem Fall eine hohe finanzielle Belastung, betont sie. Die MVG verliere durch sie Einnahmen in Höhe von mindestens 10 Millionen Euro. Das entspreche dem Anschaffungswert von 30 Gelenkbussen.

Einige User wollen aber gar nicht sich selbst davor bewahren, erwischt zu werden, sondern andere. Wer etwa eine Monatskarte hat, möchte mit seinen Tipps anderen helfen, die sich kein Ticket leisten könnten. Einer der 14.000 Nutzer von „mvvblitzer“ beschreibt seine Motivation so: „In München gibt es kein Semesterticket. Ich will andere Studenten warnen.“

Gegründet hat den Kontrolleur-Warndienst ein Münchner Informatikstudent. Die Idee kam ihm im vergangen Herbst. Seine Motivation: Er möchte die MVG zu Preissenkungen bewegen. Als Nächstes plant der Student eine Smartphone-App, damit die Warnung noch komfortabler und schneller verschickt werden kann.

Ähnlich wie Blitzerwarnungen im Radio bewegen sich die Online-Warnungen in einer rechtlichen Grauzone. Solange die Schwarzfahrer keine Kontrolleure persönlich beleidigen oder Fotos veröffentlichen, können sie nicht belangt werden.

In Hamburg organisieren sich die Schwarzfahrer und ihre Helfer bei Facebook. Bis Mittwochnachmittag hatten mehr als 6.000 Menschen auf der Facebook-Seite „Schwarzfahren Hamburg“ den „Gefällt mir“-Button geklickt. Gegründet wurde die Seite Ende vergangenen Jahres. Nachdem verschiedene Medien darüber berichtet haben, wurde sie inzwischen gelöscht. Wer die Seite gelöscht hat, will Facebook nicht sagen. Ein Sprecher gibt aber zu bedenken, dass der Gründer die Seite auch selbst gelöscht haben könnte. Es wurde schon eine Nachfolgeseite ins Leben gerufen. Auch dem HVV entgehen durch Schwarzfahrer jährlich Einnahmen in Höhe von rund 20 Millionen Euro.

FRANK SEIBERT