Meike Jansen schaut sich in den Galerien Berlins um

1998. Während Westberlin mehr oder weniger dahinsichte, herrschte im Osten Goldgräberstimmung: improvisierte Clubs und Orte, die zum experimentieren mit Sound und Visuellem einluden sowie großspurige Start-up-Cowboys, die „geniale Ideen“ wenig später wieder beerdigten. Dazwischen die UreinwohnerInnen des Berliner Ostens, die scheinbar dieselbe Sprache sprachen, aber tatsächlich anderes meinten. Im Gegensatz zu den goldschürfenden Cowboys waren sie die Indianer. Distanziert beobachteten die meisten von ihnen das aufgeregte, posturbane Treiben und Netzwerkeln auf „Bonnys Ranch“. 2011 lässt Cyprian Gaillard nun seinen „Neon Indian“, einen grimmassenhaft grinsenden Indianer vom Haus der Statistik auf den Alexanderplatz herabschauen. Er ist das Wahrzeichen des Baseballclubs Cleveland Indians. Ein hier immer noch fremdartiger Sport, bei dem sich Familien über Tage in einer Arena einfinden. Ähnlich familiengerecht wie die mit Plattenbauten und Narben der sozialistischen Moderne übersähten Konsumlandschaft, die Gaillards beleuchtet. Währenddessen kritisieren weiterhin Ureinwohner die Nutzung ihrer Symbole.

Auf ähnliche Kritikpunkte weißt auch Hannes Bend mit seinem Beitrag zu „Shifting the everyday“ bei Levy. Gleich den Schwingen eines Adlers, bringt er die verbeulten Türen eines Cherokee Jeeps – der einst für die US-Armee konzipiert wurde – an die Wand, nicht ohne sie in Bonbongrundmasse zu konservieren. Die Verkitschung und Gleichschaltung von Alltäglichkeiten mit vermeintlichen Freiheitversprechen ergänzt er mit der Gegenüberstellung eines epischen Cherokee-Werbespots und einem Video, das eine Gruppe Schwarzvermummter beim Auseinandernehmen eben jenes Jeeps zeigt. Letztendlich wirken die Akteure in der Umgebung allerdings wie Testdummies.

■  Cyprian Gaillard: Neon Indian; bis 11. 12., 0–24 Uhr, Haus der Statistik, Otto-Braun-Str./Karl-Marx-Allee – Alexanderplatz ■  Shifting the Everyday, bis 27. August, Di–Sa, 11–18 Uhr, Levy Galerie, Rudi-Dutschke-Straße 2