Verdacht auf Missbrauch in zwei Dritteln aller Kinderheime

STUDIE Auch an Schulen ist die Zahl der Verdachtsfälle in den letzten drei Jahren hoch. Die Übergriffe kamen von Pädagogen, aus der Familie – aber auch von Gleichaltrigen

BERLIN taz | Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts hat eine erschreckende Zahl von Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch in Heimen, Internaten und Schulen nachgewiesen. In den vergangenen drei Jahren gab es der Erhebung zufolge an 70 Prozent der Heime Verdachtsfälle. Von den Schulen waren 40 Prozent betroffen, von den Internaten war es rund die Hälfte. Besonders auffällig ist nach Angaben der Experten in Heimen der Missbrauch durch Gleichaltrige. Zum großen Teil fand der Missbrauch aber auch außerhalb des Heims statt. Für die Studie wurden 1.100 Schulen, 325 Heime und 100 Internate befragt.

Die Regierungsbeauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs, Christine Bergmann, forderte angesichts der Ergebnisse, Lehrer besser zu schulen. Die Zahlen nannte Bergmann erschreckend. Missbrauch sei kein Thema der Vergangenheit, sondern der Gegenwart. Sonja Djurovic, Opfervertreterin am runden Tisch Heimerziehung, forderte stärkere Kontrollen. „Das Problem bleibt, dass Menschen mit pädophilen Neigungen weiter in der Versuchung sind, in Schulen, in Sportvereinen oder eben Heimen Unterschlupf zu finden“, sagte sie der taz.

Die katholische Kirche begann unterdessen damit, die Fälle von sexuellem Missbrauch durch Geistliche wissenschaftlich aufzuarbeiten. Sie öffnet dazu erstmals für kirchenfremde Fachleute ihre Archive mit Personalakten seit 1945. Ziel der beiden Forschungsprojekte sei es, nach den Ursachen des Missbrauchs sowie nach Möglichkeiten der Prävention zu forschen. Die beiden Projekte werden von Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen und vom Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie der Uni Essen-Duisburg, Norbert Leygraf, geleitet.

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