Der mit den Namen spielt

LABELING Lena, Mia, Lucas und Ben: Knud Bielefeld erstellt Jahr für Jahr Hitlisten mit den beliebtesten Vornamen. Aber Mohammed, Ali und Achmed kommen nicht vor

■  Der Wunsch: In der sonntaz berichten wir jede Woche über ein Thema, das eine Leserin oder ein Leser vorgeschlagen hat. Diesmal kam die Anregung von Christof Hertel. Er schrieb der sonntaz: „Jedes Jahr wendet die Gesellschaft für deutsche Sprache das Vornamenranking an. Ich finde es erstaunlich, dass Achmed und Mohammed nicht in den Top Ten sind. Werden die aussortiert? Sind sie nicht deutsch genug?

Der Weg: Senden Sie Ihre Anregung an open@taz.de oder an: die tageszeitung, Sebastian Heiser, Rudi-Dutschke-Straße 23, 10969 Berlin.

VON EMILIA SMECHOWSKI

Wenn sich zum Jahreswechsel ein Paar streitet, weil es festgestellt hat, dass ihr kleiner Leon später wohl nicht der einzige Leon im Kindergarten sein wird und „Jean“ oder „Legolas“ eben doch besser gewesen wären, dann ist vielleicht Knud Bielefeld daran schuld.

Knud Bielefeld, Wirtschaftsinformatiker aus Ahrensburg bei Hamburg, 43 Jahre alt, ist der Mann der Vornamen. Vor fünfzehn Jahren hat er es sich zum Hobby gemacht, Namen, die Eltern ihren Neugeborenen geben, in eine Datenbank einzutragen, am Ende eines Jahres auszuwerten und ein Ranking zu erstellen, das er im Internet veröffentlicht. Zusammen mit einem Vornamen-Lexikon und Tipps zur Namensfindung. Etwa 25.000 Menschen besuchen an einem Tag seine Internetseite.

Dort steht: Der Name Knud war nie ein Modename. Er ist durch einen Eisbären im Zoo Berlin namens Knut sehr bekannt geworden. Die Herkunft: dänisch. Knud kann „Knoten“ oder „Nachkomme“ bedeuten, oder „waghalsig, vermessen, keck“. Knud Bielefeld ist nicht keck, er wohnt in einer aufgeräumten Neubausiedlung mit gestutzten Hecken und redet nie ungefragt.

Wenn sein Tag als Wirtschaftsinformatiker beendet ist, geht er die Treppen hoch ins Obergeschoss seines Eigenheims. Er fährt den Rechner hoch und öffnet seine Excel-Tabellen. In den Regalen stehen dicke Bankordner zu Konten und Kreditkarten, darunter Literatur zu Vornamen, klar auf Kante, kein Buch lugt heraus.

Knud Bielefeld trägt die Haare kurz, sein Hemd hat er in die Hose gesteckt. Mehrere Male im Gespräch rückt er seinen Stuhl zurecht, drückt sich hoch, setzt sich wieder hin, schlägt die Beine übereinander, an den Füßen baumeln Birkenstocks.

Wenn man ihn fragt, wie er ausgerechnet darauf kam, Vornamen in Hitlisten zu sortieren, zuckt er mit den Schultern. „Es ist einfach über mich gekommen.“

Es war im Jahr 1996 – da gab es noch nicht einmal Google –, als Knud Bielefeld mit seiner Homepage online ging. Er veröffentlichte dort Reiseberichte aus Nordamerika und beliebte Vornamen, die er von den öffentlichen Babygalerien der Krankenhäuser und von Standesämtern sammelte. Bei den ersten Klickmessungen stellte er fest, wie groß die Nachfrage nach seinen Namensrankings war: „Na ja, und dann hab ich mich eben so ein bisschen darauf konzentriert.“

„Im Grunde war Adolf nie sonderlich beliebt, der Vorname wohlgemerkt“

KNUD BIELEFELD, HOBBYFORSCHER

Geboren ist Bielefeld in Rendsburg, in Flensburg hat er Wirtschaftsinformatik studiert und ist dann nach Ahrensburg gezogen. Er hat Schleswig-Holstein nur im Urlaub verlassen.

140.000 Namen hat er im vorigen Jahr ausgewertet, das ist etwa ein Viertel aller Neugeborenen in Deutschland. Er zieht sich frei zugängliche Daten von zehn Standesämtern und dreihundert Krankenhäusern aus ganz Deutschland auf seinen Rechner. Durch die Werbung, die auf seiner Seite geschaltet ist, kann er ein paar Hausfrauen bezahlen, die ihm helfen.

Er weiß, dass Finn und Mia im Norden besonders beliebt sind, und Maximilian und Anna im Süden. Und dass Kevins nicht öfter im Osten wohnen als im Westen. Nur die Mohammeds und Alis, die Hassans und Achmeds tauchen in seiner Statistik nicht auf. Dabei steht Mohammed in England auf Platz 1 der beliebtesten Vornamen. Doch Bielefelds Statistiken bleiben deutsch, mit Ausnahme von ein paar Amelies und Louis. „Damit Mohammed in der Statistik auftaucht, müsste jeder fünfte Türke seinen Sohn so nennen“, sagt Bielefeld. So hat er es überschlagen. Aber ganz sicher ist er sich nicht.

Dass er auf seinem Gebiet ein informierter Laie ist und den, der es will, mit Namenslisten versorgt, klingt harmlos. Doch Andrea Ewels wird ganz schön sauer, wenn sie den Namen Knud Bielefeld hört. Sie ist Geschäftsführerin der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) und sagt: „Herr Bielefeld arbeitet komplett unwissenschaftlich.“

Bielefeld wertet lediglich frei zugängliche Daten aus, der Datenschutz verwehrt ihm den Blick auf alle Namen, die bei Standesämtern eingetragen werden. Er hat nur die Namen derer, die freiwillig einer Veröffentlichung zustimmen. Deshalb durchforstet er meist Babygalerien von Krankenhäusern. „Aber viele Eltern sind sich kurz nach der Geburt noch gar nicht sicher, wie ihr Kind nun wirklich heißen soll“, sagt Ewels.

Lediglich der GfdS ist vertraglich zugesichert, dass sie einmal im Jahr die Daten der Ämter bekommt. Dann erstellt auch sie ein Namensranking – allerdings erst im Februar oder März. Zu spät. Die Medien haben sich da schon längst auf Bielefelds Liste gestürzt. „Aber wir sind die offizielle Stelle“, sagt‘ Andrea Ewels. „Er macht uns die Reputation kaputt.“

Das Standesamt Neukölln ist das einzige in Deutschland mit einem türkischen Namen in den Top Ten

Und Mohammeds und Alis würden sehr wohl in der Statistik auftauchen, nur eben nicht unter den ersten zehn. Auf der bundesweiten Liste der GfdS steht Mohammed auf Platz 55, Ali auf 76. Das Standesamt Neukölln ist das Einzige, das einen türkisch-arabischen Namen in den Top Ten hat: „7. Ali“, gefolgt von Can, Hussein und Mohammed.

Mit seinen schmalen Fingern zeichnet Knud Bielefeld auf dem Bildschirm zu Hause in Ahrensburg eine Kurve nach. Die Beliebtheitskurve eines Namens verläuft immer gleich, erklärt er ein wenig stolz: Erst ein langsamer Anstieg, dann hält sich ein Vorname ein paar Jahrzehnte oben, um danach rasant abzusteigen. „Irgendwann sind die Leute den Namen einfach leid“, sagt Knud Bielefeld.

Nur beim Adolf, da verlief die Kurve deutlich anders. „Im Grunde war Adolf nie sonderlich beliebt, der Vorname wohlgemerkt.“ 1933 trat er dann signifikant häufiger auf, aber im Jahr 1940 stand er schon nur auf Platz 30. Der Abstieg begann nicht, wie zu erwarten wäre, bei Kriegsende, sondern drei Jahre früher. „Und seit 1951 taucht er in Statistiken fast gar nicht mehr auf.“

Voriges Jahr war laut seiner Liste Leon sehr beliebt. Und Lucas und Ben. Bei den Mädchen lagen Mia, Hannah und Lena vorn. In den „Babynamen der Woche“, die jeden Freitag erscheinen, stellt Knud Bielefeld besonders skurrile Namen vor. „Pepsi-Carola“ war so ein Name, er lacht, den habe das Standesamt aber nicht akzeptiert.