Die akademische Holzklasse wehrt sich

AKTION Lehrbeauftragte an Hochschulen organisieren sich erstmals bundesweit. Sie fordern bessere Bezahlung und Absicherung

Weil Lehrbeauftragte billiger sind als Festangestellte, nimmt ihre Zahl bundesweit zu

VON ANJA KRÜGER

BERLIN taz | Birgit Schmieder ist eine preisgekrönte Oboe-Spielerin, ihr Konzertexamen bestand sie mit Auszeichnung. Seit 1989 unterrichtet sie an der Universität der Künste, HdK, in Berlin. Wie viele Stunden in der Woche, weiß die 56-Jährige immer erst kurz vor Semesterbeginn. Als Lehrbeauftragte hat sie keine Planungssicherheit. Und ihr vergleichsweise geringes Honorar bekommt sie erst am Ende der Vorlesungszeit. Am Donnerstag hat Birgit Schmieder dem Sprecher des Berliner Wissenschaftssenator flankiert von Chorgesängen eine Resolution der Lehrbeauftragten übergeben. „Wir fordern eine vernünftige Bezahlung, feste Stellen und eine Vertretung im Personalrat“, sagte sie.

An über 20 Orten machten Lehrbeauftragte an deutschen Hochschulen auf ihre Situation aufmerksam: mit Flashmobs, Infoständen oder Podiumsdiskussionen. Es war der erste bundesweite Aktionstag einer Gruppe, die sich als akademisches Prekariat fühlt: rechtlos, schlecht abgesichert und mies bezahlt.

250 Lehrbeauftragte sind allein an der Fakultät für Musik der HdK tätig. „Wir decken 40 Prozent der Lehre ab“, sagt Schmieder. Weil Lehrbeauftragte billiger sind als Festangestellte, nimmt ihre Zahl bundesweit zu. Von 2004 bis 2013 stieg die Zahl der Lehrbeauftragten und Honorarprofessoren nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) von 53.400 auf 94.100. Die oft privilegierten Honorarprofessoren und Privatdozenten abgezogen, waren 2013 an bundesdeutschen Hochschulen 85.300 Lehrbeauftragte tätig.

„Ohne Lehrbeauftragte würde der Lehrbetrieb an vielen Hochschulen zusammenbrechen“, ist David Bowskill von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft überzeugt. Bundesweit stellen die Lehrbeauftragten 36 Prozent des gesamten wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen.

Birgit Schmieder unterrichtet an der Hochschule der Künste Oboe und gibt Seminare in Methodik/Didaktik für angehende Musiklehrer. Für 60 Minuten Unterricht bekommt sie 29,50 Euro Honorar, viele Kollegen erhalten sogar nur 22,50 Euro, wenige Glückliche verdienen 35 Euro pro Stunde. Für das Honorar muss Schmieder die Stunden vor- und nachbereiten; auch Fachgespräche und Prüfungsvorbereitungen mit Studierenden werden nicht gesondert vergütet. Ein Professor in der Besoldungsgruppe W2 dagegen verdient in der Stunde 82 Euro und ist exzellent bei Krankheit und im Alter abgesichert. Die Lehrbeauftragten fordern, dass ihre Stundensätze an die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst angepasst werden.

Die vorlesungsfreie Zeit bekommt Birgit Schmieder, wie alle Lehrbeauftragten nicht bezahlt. Als Musikerin kann sie sich immerhin in der Künstlersozialkasse versichern und muss nur die Hälfte der Sozialabgaben zahlen. Die Lehrbeauftragten aus anderen Bereichen müssen die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung komplett allein aufbringen. In der Arbeitslosenversicherung sind alle nicht.

Für die Lehrbeauftragten ist es schwer, sich zu wehren. Viele haben Angst, keinen Vertrag mehr zu bekommen, sagt Birgit Schmieder. Um sich gemeinsam zu wehren, muss man sich erst einmal kennen. An ihrer Fakultät haben sich die rechtlosen Akademiker vor drei Jahren organisiert. „Vorher wussten viele nicht, dass sie im selben Haus unterrichten“, berichtet sie.

Auf Bundesebene gibt es seit 2011 die Bundeskonferenz für Lehrbeauftragte, die jetzt den bundesweiten Aktionstag in Gang gesetzt hat. Sie hat auch erreicht, dass sich Organisationen wie die GEW oder die Deutsche Orchestervereinigung um das Thema zu kümmern beginnen. Der Job als Lehrbeauftragte sei als Nebentätigkeit gedacht, sagt Schmieder. „Aber das ist er nicht.“