Gegen den Ausverkauf anpalavern

LIEGENSCHAFTEN Besetzen, mitbieten, protestieren: KreuzbergerInnen suchen bei einem „Kiezpalaver“ nach Wegen, die drohende Privatisierung des Dragoner-Areals am Mehringdamm in letzter Minute zu verhindern

„Eine Besetzung wäre cool“, meint eine Aktivistin. „Ja, aber das Gewerbe!“, gibt ein anderer zu bedenken

Früher Sonntagnachmittag am Mehringdamm. Wie zufällig kommen rund vierzig Menschen an der Ecke Mehringdamm, Obentrautstraße zusammen und bleiben auf dem Gehweg stehen. Ein paar von ihnen entrollen ein großes rotes Transparent: „Privatisierung des Dragoner-Areals verhindern“. Ein paar Autofahrer hupen im Vorbeifahren, recken die Daumen in Richtung der Demonstranten. Wobei „Demonstration“ nicht ganz der passende Begriff ist für die Aktion des Bündnisses „Stadt von unten“ gegen die Liegenschaftspolitik des Bundes.

„Wir machen hier ein Kiezpalaver“, sagt Anna vom Mietshäuser Syndikat. „Wir müssen beraten, wie wir weiter vorgehen.“ Es eilt im Kampf um das ehemalige Kasernengelände. Aktuell läuft ein Bieterverfahren der Bundesanstalt für Immobilienausgaben (Bima) für den Verkauf des 4,7 Hektar großen Grundstücks. Die Gebote liegen bereits bei mehr als 30 Millionen Euro – etwa das Dreifache des Verkehrswerts für das Grundstück, das 2012 schon einmal für 21 Millionen verkauft wurde. Der Investor hatte sich aber daran verhoben.

Im Rennen sind bei den jetzigen Preisen nur noch drei Investoren – keiner von ihnen plant 100 Prozent Mietwohnungen und 100 Prozent soziale, dauerhaft abgesicherte Mieten, wie sie das Bündnis „Stadt von unten“ fordert. Schließlich zählen beim Verkauf weder die Bedürfnisse der Berliner noch die Interessen von Anwohnern, sondern nur das Geld. Bieter mit neuen Ideen, etwa das Mietshäuser Syndikat, das in einer ungewöhnlichen Allianz mit einer Wohnungsbaugesellschaft günstiges Wohnen plante, sind schon aus dem Verfahren geflogen. Denn der Bund hält stur am Höchstpreisverfahren fest. „Wir fühlen uns ohnmächtig“, gesteht ein Mitglied des Bündnisses.

„Dieses Verfahren muss gestoppt werden“, sagt Ulrich von der Initiative „Wem gehört Kreuzberg“. Aber wie? Darüber wird auf dem Gehweg lebhaft diskutiert. „Eine Besetzung wäre jetzt cool“, findet eine Frau, auf deren T-Shirt „Stoppt den Kiezverkauf!“ steht. „Ja, aber wie willst du das machen mit dem Gewerbe?“, gibt ein anderer zu bedenken. Neben Autowerkstätten und einem Biomarkt gibt es auf dem Gelände unter anderem den Club Gretchen und eine Polsterei.

Vielleicht lieber vor dem Bundestag demonstrieren? Am Mittwoch hat der Finanzausschuss des Bundestags wieder einmal die Abstimmung über ein von Grünen und Linken gefordertes Moratorium für den Verkauf öffentlicher Liegenschaften vertagt. Der Ausverkauf geht unterdessen im Stillen weiter. „Warum bekomme ich als Bürger keine Information über den Verkauf von Volkseigentum?“, schimpft ein Aktivist. Die Grünen-Abgeordnete Lisa Paus verspricht, sich weiterhin für eine neue Liegenschaftspolitik einzusetzen. Von der SPD ist allerdings niemand hier, von der CDU schon gar nicht.

Unter den Versammelten sind unterlegene Bieter und welche, die einen symbolischen Euro als Gebot abgegeben haben. Einer schwärmt von einem Wohn-Gewerbe-Mix, „mit Naturmaterialien und ohne teure Protzarchitektur“. Ein anderer wähnt sich noch im Rennen, schließlich stünden die Chancen auf eine vernünftige Grundstücksvergabe nicht so schlecht. Der Bebauungsplan sehe eine Mischnutzung vor, die denkmalgeschützten Gebäude machten Kahlschlag unmöglich. Und dann sei da ja noch die widerständige Kreuzberger Öffentlichkeit. „Mit uns kann man nicht alles machen“ – man hofft hier darauf, dass das bald auch die Immobilienwirtschaft erkennt.

NINA APIN