„Die nächste Flut kommt bestimmt“

TRUG Der Psychologe Florian Kaiser über grüne Lebenslügen

■ Professor für Sozialpsychologie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Er ist Sprecher der Fachgruppe Umweltpsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie und forscht seit 1986 zum Thema Umweltpsychologie. Foto: Privat

taz: Herr Kaiser, ist Deutschland jetzt ein grünes Land?

Florian Kaiser: Wenn Sie damit meinen, dass die Leute mehr für den Umweltschutz tun, dann stimmt das sicher nicht. Eher im Gegenteil.

Wie meinen Sie das?

Ein Beispiel: Der Energieverbrauch der Deutschen nahm in den vergangenen 100 Jahren jedes Jahr zu. Gleichzeitig wurden Technologien, die Energie verbrauchen, immer effizienter. Zwar optimieren wir die Technik, verzichten wollen wir aber nicht.

Fühlen wir uns grüner als wir sind?

Haben Sie von den Politikern in den letzten Wochen schon einmal die Forderung gehört, dass jeder Bürger seinen Energieanspruch um zwei Kilowatt senken sollte, damit die Energiewende gelingt?

Nein.

Sehen Sie. Was schließlich zählen würde, wäre, ob ich auf den Pizzaservice verzichten kann. Aber es gibt so viele Dinge wie z.B. Familie und Karriere, die uns wichtig sind. Umwelt wird da immer eine Nebenrolle spielen.

Ökologisches Handeln ist dennoch eine soziale Norm geworden.

Natürlich ist Umweltschutz inzwischen gesellschaftlich erwünscht. Aber aus diesem sozialen Druck entsteht keine innere Motivation, sich für die Umwelt zu engagieren. Wenn die anderen mich nicht sehen, dann verhalte ich mich auch nicht mehr umweltfreundlich.

Der soziale Druck allein reicht also nicht aus. Was hilft?

Vielleicht Naturkonsum. Wem Natur etwas bringt, weil er sich dort erholen kann, setzt sich auch für ihre Erhaltung ein. Wir müssen wieder lernen, dass Natur etwas bringt, dort Spaß und Entspannung zu holen ist.

Inzwischen gibt es umweltfreundliche Bestattungen. Ist das alles nur ein Trend und morgen schon wieder vorbei?

Haben Sie das Gefühl, der Klimawandel ist eine Fiktion?

Nein.

Dann wird es auch morgen nicht anders sein. Denn die nächsten Dürren, Fluten und Stürme kommen bestimmt.

INTERVIEW JANA HAUSCHILD