Linkspartei will Spandau meiden

56 Flüchtlinge dürfen hoffen: Aufgrund eines taz-Textes prüft der Bezirk Marzahn-Hellersdorf, ob sie statt einer Heimunterbringung eine Wohnung erhalten

Der Bezirk Marzahn-Hellersdorf wird ab sofort keine Flüchtlinge mehr in das Wohnheim in der Spandauer Motardstraße schicken. Das verkündete Norbert Seichter von der Linkspartei gestern anlässlich des achtjährigen Bestehens einer Flüchtlingsberatungsstelle seiner Partei. Das Umschwenken des Bezirkes war durch den taz-Text von Mitte April „Linkspartei schiebt Flüchtlinge ab“ ausgelöst worden.

Die taz hatte berichtet, dass Marzahn-Hellersdorfs Bürgermeisterin und Sozialstadträtin Dagmar Pohle (Linkspartei) abgelehnte Asylbewerber überproportional häufig in das Heim in Spandau abschiebt. Dort sollen die Bewohner durch schlechte Lebensbedingungen zur freiwilligen Ausreise motiviert werden. In diesem Heim gibt es Sachleistungen wie drei Mahlzeiten statt Bargeld, was die Linkspartei auf Bundes- und Landesebene ablehnt. Der taz-Beitrag hatte zu innerparteilichen Diskussionen bis in die Bundestagsfraktion geführt.

Nach der korrigierten Weisung schickt Marzahn-Hellersdorf keine neuen Flüchtlinge mehr in dieses Heim. Auch für die 56 vom Bezirk dorthin abgeschobenen Bewohner gibt es jetzt eine Einzelfallprüfung, ob sie in eine Wohnung ziehen dürfen, verkündete gestern Norbert Seichter. Und die Linkspartei macht sich in Pankow und Mitte gegen das Sachleistungsprinzip stark. In beiden Bezirken stellt nicht die Linkspartei die Sozialstadträtin, aber die Einweisungen in das Sachleistungsheim sind ebenfalls hoch. In Treptow-Köpenick, wo 17 Flüchtlinge in die Motardstraße abgeschoben wurden, wird es einfacher gehen: Dort ist eine PDSlerin Stadträtin, die nun Druck aus der eigenen Partei bekommen wird.

Aber auch die Lebensbedingungen in der Motardstraße sollten sich verbessern, verkündete der PDS-Abgeordnete Giyas Sayan. „Sozialsenatorin Heidi Knacke-Werner hat sich nach einem Vororttermin für eine Verbesserung der Essensqualität sowie für verschließbare Toiletten eingesetzt.“

Alle Berliner Asylbewerber müssen laut Bundesgesetz die ersten drei Monate ihres Asylverfahrens in diesem Heim verbringen. Darüber hinaus wohnen gut 200 Flüchtlinge dort, die von den Bezirken geschickt wurden, um sie zur Ausreise zu motivieren.

Jens-Uwe Thomas vom Flüchtlingsrat begrüßt den Vorstoß aus dem Ostbezirk. „Das wäre ein erster Schritt, damit dieses Heim seinen Charakter als Ausreisezentrum verliert. Ich wünsche mir, dass andere Bezirke dem Beispiel Marzahn-Hellersdorfs folgen.“ Bedauerlich sei lediglich, dass die Bürgermeisterin erst nach Druck von den Medien reagiert hätte.

PDS-Flüchtlingsberater Klaus-Jürgen Dahler teilte an die Grünen aus, die mit einer parlamentarischen Anfrage die Diskussion um Sachleistungen in Gang gebracht haben. „Sie haben im Bundestag das Gesetz zu den Sachleistungen mitbeschlossen. Und jetzt schimpfen sie, dass es angewandt wird.“

Eigentlicher Anlass der Pressekonferenz war die Flüchtlingsberatungsstelle der PDS. Klaus-Jürgen Dahler und ehrenamtliche Helfer lotsen dort Flüchtlinge durch den Behördendschungel, besuchen sie im Abschiebeknast und bringen die Probleme der Flüchtlinge in das Landesparlament ein. Die meisten Hilfesuchenden im Büro in Tempelhof-Schöneberg stammen aus Vietnam und der Türkei. „Die Politik der Ausländerbehörde macht auch in Zukunft die Beratungsstelle nötig,“ erklärt Giyas Sayan. MARINA MAI