Klima-Beschwerde gegen Volkswagen

Umweltorganisation Germanwatch wirft VW-Konzern vor, gegen internationales Recht zu verstoßen. Fahrzeuge mit hoher Kohlendioxid-Emission stünden nicht im Einklang mit den Leitsätzen der OECD. Bundeswirtschaftsministerium soll verhandeln

VON HANNES KOCH

Durch die Produktion klimaschädlicher Fahrzeuge verstößt der Volkswagen-Konzern gegen internationale Regeln. So lautet der Vorwurf, den die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch gestern gegen den größten deutschen Automobilhersteller erhob.

Erstmals legen Umweltschützer damit eine Beschwerde bei der OECD (Organisation für Wirtschaftliche Kooperation und Entwicklung) ein, um ein Unternehmen zum Klimaschutz zu drängen. Bei seinem Vorstoß gegen VW stützt sich Germanwatch auf die „OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen“: 39 Staaten wollen dafür sorgen, dass die auf ihrem Gebiet ansässigen Unternehmen bestimmte Regeln einhalten. Diese haben zwar nur empfehlenden Charakter und lassen sich nicht einklagen. Immerhin muss aber jedes Land eine OECD-Kontaktstelle einrichten, die die Beschwerden verhandelt. Die deutsche Stelle, die jetzt zuständig ist, sitzt beim Bundeswirtschaftsministerium.

Weil sie Imageschäden befürchten, scheuen Unternehmen das mit den Verhandlungen verbundene öffentliche Aufsehen.

Germanwatch wirft Volkswagen vor, dass das Unternehmen entgegen den OECD-Leitsätzen keine ausreichenden Informationen über die Umweltauswirkungen seiner Produkte erhebe. So sei VW offenbar nicht bekannt, wie viel klimaschädliches Kohlendioxid die produzierten Fahrzeuge insgesamt ausstießen. „Die Erhebung der Emissionen pro Fahrzeug während der jeweiligen Nutzungszeit fehlt vollständig“, bemängelte Germanwatch-Mitarbeiterin Cornelia Heydenreich. So sei zwar bekannt, dass der VW-Geländewagen Touareg bis zu 382 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoße, aber nicht, für welchen Gesamtausstoß die rund 80.000 pro Jahr produzierten Fahrzeuge verantwortlich sind. Daher fehle Volkswagen eine vernünftige Basis, um überhaupt Klimaschutzpolitik zu betreiben, erklärte Germanwatch.

Außerdem verstoße VW gegen den OECD-Leitsatz, dass die Unternehmen „Güter entwickeln und bereitstellen“ sollen, „die keine ungebührlichen Auswirkungen auf die Umwelt haben“, so Germanwatch. Diesen Vorwurf bekräftigt die Umweltorganisation mit dem Argument, dass nur 0,12 Prozent der 2005 hergestellten Fahrzeuge weniger als 140 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer verursachen. Das ist der Durchschnittswert, zu dem sich die europäische Autoindustrie bis Ende 2008 selbst verpflichtet hat. „Es ist völlig unrealistisch, dass VW dieses Ziel erreicht“, meint Germanwatch dazu. So hätten 2005 rund 3,5 Millionen von 5 Millionen hergestellten VWs mehr als 170 Gramm Kohlendioxid verursacht.

Vom VW-Konzern war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. Das Bundeswirtschaftsministerium kündigte an, die Beschwerde zu prüfen.

Bislang haben Bürgerrechts- und Umweltorganisationen weltweit 130 Beschwerden bei der OECD eingebracht – unter anderem gegen Adidas, den Reifenkonzern Continental und das Pharmaunternehmen Bayer. Im Mittelpunkt stand, dass die Rechte von Beschäftigten in Entwicklungsländern verletzt worden seien. Obwohl sie das OECD-Verfahren nutzen, sind die kritischen Gruppen damit oft unzufrieden. Sie fordern, aus den Empfehlungen der Leitsätze verbindliches Recht zu machen.