Hier gefällt sogar, was krachend scheitert

SCHWELLENKUNST Ein toller Ausstellungsort für nicht arrivierte Kunst ist das Autocenter in Friedrichshain

Zehn Jahre finanzierten Schierloh und Liefland das Autocenter aus eigener Tasche

VON INGO AREND

Berlin braucht eine Kunsthalle! Unter diesem Schlachtruf scheiden sich derzeit die kulturpolitischen Geister in der Stadt. Seit der Regierende Bürgermeister sein Herz für die unter Raumnot leidende Kunst entdeckt hat, ist der sterile Streit zum Wahlkampf-Knüller avanciert. Dabei gibt es in der selbsternannten Welthauptstadt der Kunst längst jede Menge Kunsthallen. Auch wenn sie nicht explizit diesen Namen tragen.

Eine von ihnen steht am Rande der ausgeweiteten Marktzone des Berliner Zentrums – im Nordosten Friedrichshains. Alles begann hier in einer Werkstatt türkischer Kfz-Mechaniker in der Simplonstraße. Dort richteten Maik Schierloh und Joep van Liefland, beide selbst Künstler, 2001 einen Ausstellungsraum ein. Schnell hatten sie einen Namen für die alte Autolackiererei: Autocenter nannten sie den 90 Quadratmeter großen, farbverschmierten Raum, in dem sie fortan „extreme Kunst“ präsentieren wollten. „Etwas anderes machen“ – so erinnerten sich Schierloh und Liefland vergangenen Montag in einer Diskussion zum zehnjährigen Jubiläum an ihre Motive damals. Ausstellungen wie Erwin Kneihsls, Markus Selgs und André Butzers „Oktoberfeste“ 2004, Christian Andersens Performance „Saufen und Schießen“ 2008, aber auch eine veritable Sommerakademie 2009 und ambitionierte Gruppenausstellungen wie Aaron Multons „A Painting Show“ Anfang April dieses Jahres haben das Autocenter längst zu einer Boheme- und Avantgardelegende verklärt.

Vor allem ist das Center ein Beispiel für die Innovationskraft zivilgesellschaftlicher Selbstorganisation. Das seinen Anspruch, einen Non-profit-Ort „jenseits der Hierarchien des Kunstmarktes“ zu bieten, einlöste. Und zwar auch dann, als das Center nach sieben Jahren in einen über 333 Quadratmeter großen Raum über einem Supermarkt auf dem alten Friedrichshainer Schlachthof umzog, den selbst versierte Berliner Gallery-Hopper immer noch nicht auf Anhieb finden.

Ohne einen Euro Staatsknete boten sie jener Schwellenkunst ein Podium, die weder den Weg in Galerien noch in Museen findet und nun auch von der Politik als unverzichtbares Kreativkapital umschmeichelt wird. Stars wie Christoph Schlingensief oder Olafur Eliasson fanden ebenso Geschmack an dem Überraschungs-Raum wie die „upcoming artists“ Cyprien Gaillard oder Eberhard Havekost.

Schierloh und Lieflands Methode, Ausstellungen spontan, innerhalb von vier Wochen in einem Ambiente auf die Beine zu stellen, das sie selbst als „gebrochenen White-Cube“ bezeichnen, ihr Grundsatz, Kuratoren und Künstlern freie Hand zu lassen, fanden schnell Zuspruch. Im Autocenter gefiel oft genug sogar, was krachend scheiterte. Kein Wunder, dass das von seinen Betreibern scherzhaft als „Hobbyraum“ deklarierte Experimentierfeld professionelle Ausstellungsmacher faszinierte. Im Januar 2006 luden die Macher der 4. Berlin-Biennale die beiden in die zeitweilige Außenstelle der Biennale, das winzige Fake der New Yorker Gagosian-Gallery in der Auguststraße. Wo sie – imagegemäß – eine kleine Autowerkstatt einrichteten.

Wenn am 7. Juni die vom Senat initiierte Show „based in berlin“ öffnet – gedacht als Pilotprojekt für Klaus Wowereits Traum einer staatlichen Kunsthalle –, sind die Autocentristen auch dabei. Im alten Atelierhaus Monbijoupark zeigen sie Anfang Juni drei Schauen mit so schönen Titel wie „Cannibals Muse“, „Ein fliegender Stein für die Kunst als Opfer der Politik“ und „pop hits“. Bei der Art Basel, der Königin der Kunstmessen, werden sie dieses Jahr den Projektraum „Salts“ mit der Ausstellung „Neue Welt“ bespielen. Schierloh und Liefland waren Meister im Improvisieren. Ihre Stellwände fischten sie sich jedes Jahr aus den Resten des Art Forums heraus.

Doch irgendwann kommt jede Basisinitiative an den Scheideweg zwischen Provisorium und Institution. Zehn Jahre finanzierten sie das Autocenter aus eigener Tasche. Jetzt wollen sie festeren Boden unter den Füßen. Eine Versteigerung im Kunstmessen-Herbst soll Geld in die leeren Kassen spülen. 30 Berliner KünstlerInnen, unter ihnen Olafur Eliasson, Jonathan Meese und Katharina Grosse, wollen jeweils ein Kunstwerk beisteuern. Was natürlich eine schöne Form von Solidarität ist. Dass die Aktion das Autocenter womöglich zu einem ganz anderen verwandelt als das, welches die Szene so liebt, schreckt Schierloh und Liefland nicht besonders. Schließlich wollten sie von Anfang an „immer wieder Neues“ machen.

■ Die aktuelle Ausstellung von K. H. Hödicke im Autocenter in der Eldenaer Str. 34a (Eingang über die James-Hobrecht-Straße) läuft noch bis zum 11. Juni