Fehler im System

Immer mehr Gesetze zur Terrorbekämpfung kommen aus dem EU-Ministerrat. Liberale: Datenspeicherung unnötig

BERLIN taz ■ Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die umstrittenen Online-Durchsuchungen zunächst einmal gestoppt. Von Privatsphäre im Internet kann dennoch keine Rede sein. Ab Januar 2008 sollen sowohl die Daten von allen Internetnutzern als auch deren E-Mail-Verkehr sechs Monate lang gespeichert werden. Aus Angst vor der Terrorgefahr wird der Zugriff auf private Daten immer weiter ausgedehnt. Eine wichtige Rolle spielt dabei die EU.

Kritik kommt vor allem von den Liberalen: Bereits jetzt sei es möglich, ein komplettes Profil eines Menschen zu erstellen, kritisiert der innenpolitische Sprecher der Liberalen im Europaparlament, Alexander Alvaro. Die Datenspeicherung sei selbst zur Bekämpfung schwerwiegender Straftaten nicht nötig und bringe in Bezug auf die Terrorismusbekämpfung nichts: „Kein Terrorist wird so dämlich sein, über den eigenen Computer zu kommunizieren.“

Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte Schäuble auf, endlich zuzugeben, dass es absolute Sicherheit nicht geben könne. Es sei falsch, immer wieder zu suggerieren, neue Maßnahmen könnten vollständige Sicherheit schaffen.

Die Bilanz von vier Monaten deutscher EU-Ratspräsidentschaft ist dürftig, so die FDP-Politiker. Ihr Unmut richtet sich gegen die Maßnahmen und das Verfahren: So kritisierte Alvaro die mangelnde Transparenz und forderte ein Ende der Geheimverhandlungen. Im Bereich der Innen- und Justizpolitik verfügt das Parlament über kein Mitspracherecht. Entscheidungen werden vom Ministerrat getroffen, also den Mitgliedsstaaten. Nicht selten werden geplante Gesetze in diesem Bereich über den Umweg EU auf den Weg gebracht, da dort die Kontrolle durch das Parlament fehlt. In den Mitgliedsstaaten müssen die Richtlinien dann umgesetzt werden, Änderungen sind nur geringfügig möglich.

Auch im Bereich der Speicherung von Fingerabdrücken könnte die entscheidende Richtlinie bald aus Brüssel kommen: Während die große Koalition in Berlin noch darüber streitet, ob Abdrücke künftig gespeichert werden sollen, plant auch die EU eine zentralisierte Fingerabdruckdatenbank. Entscheidend für Gesetze im Bereich der europäischen Innenpolitik ist der Input, den die Ratspräsidentschaft gibt. Die Deutschen müssten beweisen, dass sie nicht nur die Zugriffsrechte der Behörden, sondern auch die Bürgerrechte sichern wollten, so die Liberalen.

Hierzulande hält Schäuble auf jeden Fall an den geplanten Online-Durchsuchungen fest. Er werde prüfen lassen, ob eine Änderung des Grundgesetzes dafür notwendig sei. Die Koalition hat im Haushalt jedenfalls bereits rund 130 Millionen Euro zur Entwicklung von Trojanern bereitgestellt. Bislang allerdings gab es nach Angaben einer Sprecherin des Ministeriums höchstens rund ein Dutzend Online-Durchsuchungen. NICOLE MESSMER