Es geht auch billig

GEGENWELT Der französische Künstler Jérôme Chazeix seziert im Kunstverein Langenhagen den Fetischcharakter der Mode. Mitgeholfen haben dabei Schüler aus dem Landkreis Gifhorn

Die Installation ist auch eine ironische Stellungnahme zu den Mode-Events weltweit

Ein modisches Panoptikum hat der französische Künstler Jérôme Chazeix derzeit im Kunstverein Langenhagen aufgefahren. Wobei „Künstler“ das Aktivitätsspektrum des 1976 in Frankreich geborenen, seit 2000 in Berlin lebenden Chazeix nicht gänzlich erfasst. Er ist nämlich auch systematischer Erforscher künstlerischer Artikulationen – in seiner Doktorarbeit ist er Prinzipien des Gesamtkunstwerkes nachgegangen – und Pädagoge: Er entwickelt fortgesetzt partizipatorische Aktionen mit Kindern und Jugendlichen.

Arbeitsstipendien brachten ihn 2010 nach Niedersachsen, wo er unter anderem eine Modekollektion mit Schülern aus Meinersen, Landkreis Gifhorn, kreierte, die von den Jugendlichen tanzend selbst vorgeführt wurde. In dem dokumentierenden Video, das in Langenhagen zu sehen ist, erzählt Jérôme Chazeix von den Hemmungen der Schüler, die überwunden werden mussten. Denn einerseits sind sie versiert im gestellten „Posing“, ein freies körperliches Agieren jedoch ist ihnen (kulturell) fremd.

Ein weiteres Video zeigt eine frühere Aktion von Jérôme Chazeix in einer Dresdener Fußgängerzone: auf einem nur mittels Auslegeware angedeuteten Laufsteg das improvisierte Cross Dressing männlicher Laien-Models, die mit preiswertesten Kleidern von der Stange das historische Textil des maskulinen Rockes als „jupe masculine“ humorvoll wiederbeleben. Auch hier wird das Treiben lockerer, je länger die Vorstellung dauert, zum Ende herrscht munteres Chaos.

Die Mode ist ein Schlüsselbegriff in der Arbeit von Jérôme Chazeix. Seine Entwürfe der eigenen (Mode-)Marke Zeix sind unperfekt und auch im Ausdruck „billig“, denn es geht ihm ausschließlich um den Fetischcharakter, der, abgekoppelt von einem echten künstlerischen und materiellen Wert, in der Mode zelebriert wird. „Fashion Weeks“, so der Titel seiner Langenhagener Gesamtinstallation, soll dann auch als ironische Stellungnahme zu den vielen Mode-Events, die weltweit veranstaltet werden, gelesen werden. Die meisten der Besucher nämlich haben überhaupt kein ernsthafteres Interesse an Mode, es ist gesellschaftlich einfach nur chic, dabei zu sein.

Mit den Objekten in der Installation hingegen muss man sich befassen, um ihren Sinn zu ergründen. So entspringen die vielen prismatischen Körper, die als unechte Lampions oder zu Paravents addiert die Inszenierung gliedern, einer Dokumentation osteuropäischer Architekturen: Ein industrieller Neo-Expressionismus beflügelte dort Kristallisationsorgien an den Fassaden in Werkstein, Beton und Plastik.

Oder die Lederfelle an der Wand: Ein französischer Verarbeiter hat sie in den Trendfarben vergangener Haute Couture-Jahrgänge eingefärbt. Sie sind allenfalls noch mehrfach gebrochene Verweise auf ihre zeitspezifische Verwendung ohne eine direkte Zuordnung, ähnlich wie die Fotocollagen aus Frisuren, einzelnen Haarsträhnen, Schmuck.

In einer neueren Fotoserie hat Chazeix einige FreundInnen analog den Bildstrecken bekannter Modejournale glamourös inszeniert. Den Beginn des bunten, unübersehbar autobiografischen Reigens macht die Diplomarbeit von 1998: Jérôme Chazeix agiert darin vor laufender Kamera – in den Kleidern seiner Mutter. BETTINA MARIA BROSOWSKY

„Fashion Weeks“, bis 29. Mai im Kunstverein Langenhagen