Wachkoma und Demenz sind am heikelsten

Der Bundestag muss regeln, ob Patientenverfügungen immer wirksam sein sollen und welches Verfahren gelten soll

FREIBURG taz ■ Es gilt als Körperverletzung, wenn ein Arzt einen Patienten gegen dessen Willen behandelt. Der Patient hat daher stets das letzte Wort. Er kann auch ein Abschalten von Apparaten fordern, die sein Leben verlängern. Diese „passive Sterbehilfe“ ist zwar in Ländern wie Spanien und Italien äußerst umstritten, in Deutschland ist sie aber völlig legal. Verboten ist bei uns nur die aktive Sterbehilfe, dass also der Arzt zum Beispiel durch eine Giftspritze den Tod gezielt herbeiführt.

Schwierig ist die Patientenautonomie aber dann, wenn der Betroffene das Bewusstsein verloren hat. Dann kann er eben nicht sagen, wie er behandelt werden will und wann er in einer künstlichen Ernährung keinen Sinn mehr sieht. Für solche Fällen versuchen Patienten, mit vorab verfassten Erklärungen, sogenannten Patientenverfügungen, ihren Willen durchzusetzen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied 2003 in einem Grundsatzurteil, dass Patientenverfügungen für Ärzte grundsätzlich verbindlich sind. Dies gelte aber nur dann, wenn die Krankheit einen „irreversibel tödlichen Verlauf“ genommen hat, so der BGH. Damit war fraglich geworden, ob der Patientenwille auch im Falle eines jahrelangen Wachkomas verbindlich wäre, denn Wachkomapatienten gelten medizinisch nicht als Sterbende. Später hatte die Vorsitzende BGH-Richterin Meo-Micaela Hahne angemerkt, in ihren Augen sei ein Wachkoma doch als „irreversibel tödlich“ anzusehen, wenn die Rückkehr des Bewusstseins nicht zu erwarten ist.

Eine gesetzliche Regelung ist nun aus zwei Gründen sinnvoll. Zum einen hat der BGH in der Praxis eher für Unsicherheit als für Rechtsklarheit gesorgt. Der Bundestag hat nun die Chance, eine eindeutige Regelung zu treffen. Zum Zweiten sind solche grundsätzlichen Regelungen auch Aufgabe des gewählten Parlaments und nicht der Gerichte. Auch der BGH sah sein Urteil nur als Beitrag zu einer „wünschenswerten gesetzlichen Regelung“.

Zu klären ist nun vor allem Folgendes: Reichweite: Soll eine Patientenverfügung immer gelten, auch wenn der geforderte Behandlungsabbruch zum Tode führt? Geht man vom Selbstbestimmungsrecht des Patienten aus, müssten solche Verfügungen generell verbindlich sein. Sieht man dagegen die Schutzpflicht des Staates für das Leben als vorrangig an, sollte man Verfügungen mit tödlichen Folgen nur dann zulassen, wenn bereits eine tödlich verlaufende Krankheit, zum Beispiel Krebs im Endstadium, eingetreten ist. Dazwischen sind aber viele Abstufungen möglich. Praktisch relevant ist vor allem die Frage, ob ein Behandlungsabbruch auch beim Wachkoma sowie bei der Demenz durchgesetzt werden kann. Bei Dementen sind außerdem unterschiedliche Regelungen denkbar für bewusstlos Demente und Demente, die nur verwirrt sind.

Der Rechtssicherheit ist gedient, wenn nur schriftliche Verfügungen verbindlich sind. Allerdings könnten dann die letzten Worte, die jemand spricht, kurz bevor er ins Koma fällt, missachtet werden. Dies spricht dafür, auch mündliche Verfügungen zum Behandlungsabbruch zu akzeptieren.

Umstritten ist auch, ob eine Patientenverfügung regelmäßig, zum Beispiel alle zwei Jahre, bestätigt werden muss. Dafür spricht, dass so die Verfügung am ehesten noch dem aktuellen Willen entspricht. Allerdings dürfte diese bürokratische Hürde dazu führen, dass viele Verfügungen letztlich unverbindlich bleiben, weil die Menschen nicht diszipliniert genug sind.

Zu regeln ist schließlich, ob ein Vormundschaftsgericht den Abbruch einer Maßnahme genehmigen soll oder zumindest überprüfen muss, ob die Ärzte und Angehörigen eine Patientenverfügung richtig interpretiert haben. CHRISTIAN RATH