Vorstoß zum Regime Change

NATO/LIBYEN Obama, Sarkozy und Cameron fordern eine Zukunft Libyens ohne Gaddafi und gehen damit weit über das UN-Mandat hinaus

Das Ziel ändert sich offen vom Schutz der Zivilbevölkerung zu Gaddafis Sturz

WASHINGTON / BENGASI afp | Der Westen fordert mit immer größerem Nachdruck den Abgang von Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi. US-Präsident Barack Obama, sein französischer Kollege Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron erklärten am Freitag, alles andere wäre ein „unverschämter Verrat“ am Rest der Welt. Laut Paris geht die Koalition dafür auch über die Vorgaben der Resolution des UN-Sicherheitsrats zu Libyen hinaus.

In einem gemeinsamen Artikel für vier große internationale Zeitungen schreiben Obama, Sarkozy und Cameron, eine Zukunft Libyens mit Gaddafi sei „unvorstellbar“. „Es ist undenkbar, dass jemand, der sein Volk massakrieren wollte, in der künftigen Regierung Libyens eine Rolle spielt.“ Es gehe nicht darum, Gaddafi mit Gewalt zu vertreiben. Die Nato und deren Partner würden aber ihre Luftangriffe fortsetzen, um den „Druck auf das Regime zu erhöhen“.

Bereits am Donnerstag hatten die Nato-Außenminister in Berlin Gaddafis Rücktritt gefordert. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte am Freitag, er unterstütze diese Forderung. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte, der Brief zeige, „wie entschlossen die Verbündeten ihr Ziel verfolgen“.

Zu dessen Erreichung gehen Frankreich, Großbritannien und die USA nach Einschätzung der Regierung in Paris längst über die von der UNO festgelegten Vorgaben hinaus. Das Engagement der drei Staaten überschreite „sicherlich“ bereits die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrats zu Libyen, sagte der französische Verteidigungsminister Gérard Longuet dem Fernsehsender LCI. Schließlich sei in der Resolution keine Rede von der Zukunft Gaddafis. Mit der Resolution 1973 hatte der UN-Sicherheitsrat Mitte März den Weg freigemacht für einen internationalen Militäreinsatz im libyschen Luftraum. Er soll dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen. Inwieweit das militärische Vorgehen gegen Gaddafi in seiner Gesamtheit durch die Resolution gedeckt ist, bleibt aber umstritten. Russlands Außenminister Sergei Lawrow mahnte einem Delegationsvertreter zufolge am zweiten Tag des Nato-Treffens in Berlin, dass der Sicherheitsrat die Kontrolle über die Umsetzung der Resolution behalten müsse.

Gaddafis Tochter Aischa bezeichnete die Forderung nach Gaddafis Rücktritt am Donnerstagabend als „Beleidigung aller Libyer“. Die Nato wolle ihren Vater unter dem Vorwand des Schutzes der Zivilbevölkerung töten. Gaddafi selbst zeigte sich laut Staatsfernsehen in Tripolis der Öffentlichkeit. Auf Bildern war zu sehen, wie Gaddafi aus dem offenen Schiebedach eines Geländewagens heraus Passanten grüßte und die Fäuste ballte.

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