Polizeiliche Strategie: Operation saubere Innenstadt

Die Polizei soll in der Hamburger City gezielt gegen Obdachlose, Punks und Alkoholiker vorgehen, sieht ein internes Papier vor. Für die Linke sind diese Pläne rechtswidrig, für die mitregierenden Grünen ein Verstoß gegen den Koalitionsvertrag.

Raus aus der Hamburger Innenstadt: Obdachlose, Punker und Alkoholiker sind an exponierten Orten "nicht hinnehmbar". Bild: DPA

Die Polizei soll in der Hamburger Innenstadt mit Tabula-Rasa-Vorgehen für Sauberkeit und subjektives Sicherheitsgefühl sorgen. Das geht aus einer neuen Handlungsanweisung des für die Hamburger Innenstadt zuständigen Polizeikommissariats 14 hervor, bekannt aus der Fernsehserie "Großstadtrevier". Im Visier: "Randgruppen" wie "Obdachlose, Punker und Alkoholiker".

Mit dem vorliegenden Handlungskonzept solle eine periodische Säuberungskampagne gestartet werden, sagt Sebastian Scheerer, Professor am Hamburger Institut für Kriminologische Sozialforschung: "Die Ideologie der sozialen Säuberung der Stadt soll für den Luxuskonsum das erforderliche Wohlfühlambiente herstellen." Statt die differenzierten Milieus zu tolerieren und gegebenenfalls Hilfe zu leisten, würden die Menschen ausgegrenzt. Das Konzept diene dazu, zunehmend rücksichtslos gegen Randgruppen vorzugehen, sagt Scheerer, "die nicht high society sind und keine Lobby haben". KVA

In dem Papier, das der taz vorliegt, wird festgestellt, dass die City mit ihren Einkaufsstraßen, ihren "exponierten Örtlichkeiten" sowie den touristischen Sehenswürdigkeiten hoch frequentiert sei. Daher sei es "nicht hinnehmbar", dass die genannten Gruppen dort Aufenthaltsorte wie Bänke und Plätze in Anspruch nähmen, die somit nicht mehr der Allgemeinheit zur Verfügung stünden. "Gleichfalls ist eine übermäßige Verschmutzung der öffentlichen Flächen durch gleichgültiges Verhalten bis hin zum Urinieren in der Öffentlichkeit als nicht akzeptabel zu bewerten", heißt es in der Richtlinie. Auch "ruhestörender Lärm durch eine Gruppe vermindert deutlich das Sicherheitsgefühl der Bürger" - mithin die Sicherheit und Sauberkeit der Innenstadt würden in einem "nicht unerheblichen und keinesfalls hinnehmbaren Maß beeinträchtigt".

Die Handlungsanweisung sieht vor, dass die Prävention durch die Erhöhung der polizeilichen Präsenz von Bereitschaftspolizei verstärkt wird, die "Personalienfeststellungen bei Antreffen entsprechender Klientel" vornehmen soll. Dazu gehörten Platzverweise und bei Missachtung Ingewahrsamnahmen. Hinzu sollten Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten und notfalls auch strafprozessuale Maßnahmen kommen. Platzverweise hätten stets an der "Antrefförtlichkeit" für einen Radius von 360 Grad zu gelten. Im Klartext: in alle Richtungen für eine ganze Region. "Mit Bestimmung des Platzverweis-Gebietes wird es auch als hilfreich angesehen, die Personengruppen darauf hinzuweisen, dass eine Verlagerung an eine andere Örtlichkeit (z. B. vom Rathausmarkt zum Gänsemarkt) mit identischen Platzverweisen ebenfalls nicht geduldet wird und analoge Maßnahmen getroffen werden." Deshalb hätten die Polizeikräfte dafür zu sorgen, dass das Befolgen von Platzverweisen auch überprüft wird. Dafür sollen verstärkt auch Zivilfahnder eingesetzt werden.

Das Handlungskonzept richte sich gegen Gruppierungen ab mindestens zwei Personen, etwa wenn "Punks provokativ Laufwege der Passanten besetzen", um "aggressiv zu betteln". Oder wenn sich "Alkoholiker üblicherweise bestehend aus Personen der Randständigenszene Sitzgruppen im Bereich der Innenstadt ausbreiten und Passanten belästigen", so die Direktive.

Dabei müssten keine konkreten Verstöße gegen die Öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegen. "Bei den beiden Personengruppen genügt die Tatsache, dass sie sich in einer Personenzahl an einem Ort aufhalten." Sachverhalte aus der Vergangenheit könnten dann herangezogen werden, um eine entsprechende Gefahrenprognose zu begründen, "selbst dann, wenn die aktuell angetroffene Person bis dato polizeilich nicht in Erscheinung getreten ist."

Die Polizei begründet die Weisung mit aktuellen Ereignissen. "Wir hatten im Januar Ansammlungen von Punks und Leuten aus der so genannten Emotional-Gothic-Szene", sagt Polizeisprecher Ralf Meyer. Das Papier solle den Beamten Handlungsanweisungen geben. "Es richtet sich nicht gegen Obdachlose", behauptet Meyer.

"Es ist ein Skandal, dass sich die Polizei nicht mehr an ihren gesetzlichen Aufgaben und der Rechtsprechung orientiert", sagt dazu die Innenpolitikerin der Linkspartei Christiane Schneider. "Die Polizeiführung hat offensichtlich ein Feinbild, das sie bekämpfen will", so Schneider. Die feine Gesellschaft wolle offensichtlich mit der Armut nicht konfrontiert werden. "Jugendliche, Punks und Obdachlose sollen ausgegrenzt und kriminalisiert werden."

Platzverweise seien immerhin ein erheblicher Eingriff in das Grundrecht der Bewegungsfreiheit, meint Schneider. Die Linkspartei-Abgeordnete verweist auf das Handbuch des Polizeirechts, in dem juristische Bewertung der Sachverhalte klar vorgenommen würden: "Der bloße Aufenthalt von Nichtsesshaften etwa in städtischen Fußgängerzonen oder Parks rechtfertigt keine Platzverweisung, da der Tatbestand der Nichtsesshaftigkeit ebenso wie auch der bloße Alkoholkonsum oder das Betteln nicht die Voraussetzungen einer Gefahr im polizeirechtlichen Sinn erfüllen." Auch laut Kommentar zum Hamburgischen Polizei- und Ordnungsrecht seien Platzverweise allein wegen Obdachlosigkeit unzulässig. "Nicht mehr strittig ist, dass Bettelei und freiwillige Obdachlosigkeit keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen", zitiert Schneider.

Stephan Karrenbauer vom Straßenmagazin Hinz und Kunzt ist von dem Konzept überrascht. "Wir sind erstaunt, die Stadt ist so ruhig wie lange nicht mehr", sagt der Sozialarbeiter. Das Blatt sei im ständigen Dialog mit den Kontaktbereichsbeamten, erst vor ein paar Tagen habe man in dem Gesprächskreis der sozialen Initiativen mit ihnen zusammengesessen, aber sie hätten davon nichts erzählt. Wenn nun wieder eine Offensive gestartet werde, sagt Karrenbauer, "ist das nicht nachvollziehbar".

Auch Antje Möller, innenpolitische Sprecherin der mitregierenden Grünen, zeigte sich auf taz-Anfrage "irritiert". Das Handlungskonzept sei ihr bisher nicht bekannt gewesen. Für Möller verstoßen solche Anweisungen gegen den Koalitionsvertrag mit der CDU, worin ausdrücklich festgeschrieben sei, dass eine Verdrängung so genannter "randständiger Gruppen" aus dem öffentlichen Raum zu unterbleiben habe.

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