Qualifizierungsschriften mit Theaterdonner

ROLLENPROSA Joshua Cohen will mit allen Mitteln David Foster Wallace beerben. In seinen Geschichten „Vier neue Nachrichten“ scheitert er auf ganzer Linie

Cohen bemüht sich sehr um Witz, und diese Bemühungen merkt man den Texten an

VON FRANK SCHÄFER

Joshua Cohen soll den Platz des Hipster-Eggheads, des formal begabten, grundgelehrten, aber dennoch unterhaltsamen, ja komischen Popschriftstellers einnehmen, der offenbar seit dem Selbstmord von David Foster Wallace vakant ist in der US-Literatur. Schöffling & Co. hat sich hierzulande seines – für einen 34-Jährigen gar nicht mehr so schmalen – Werks angenommen, einen schönen Sonderprospekt gedruckt, der einen sympathischen, alerten, jüdischen New Yorker zeigt. Sein Judentum wird in den vier Romanen, die laut Editionsplan bis 2018 übersetzt vorliegen sollen, noch eine wesentliche Rolle spielen. In „Witz“ etwa, seinem letzten, rafft eine Seuche alle Juden dahin, bis auf einen jungen Naivling, der infolgedessen zum Popstar avanciert. In den Geschichten des jetzt erscheinenden Teasers geht es vor allem darum, Cohens formale Potenz unter Beweis zu stellen. „Vier neue Nachrichten“ ist ein Auftakt mit gewaltigem Theaterdonner.

Im Opener „Emission“ wird ein kleiner, vereinsamter Dealer zu einer Party bestellt. Er nascht selbst ein wenig von seinem Stoff, sucht Anschluss, redet sich um Kopf und Kragen, um sich hernach als globale Lachnummer im Netz wiederzufinden. Er engagiert nicht ganz so professionelle Hilfe, um seine peinliche Spuren im Netz zu löschen, aber jede weitere Aktion vergrößert nur noch den Schaden. Erzählt wird diese Geschichte von einem erfolgreichen Broker, der gerade seine erste Million gemacht hat und in seinem vorherigen Leben Autor werden wollte. Auch die Erzählerfiguren der anderen ziemlich langen, zu langen Kurzgeschichten sind entweder zu Recht gescheiterte oder bös dilettierende Schriftsteller. Einer arbeitet in der Pharmaindustrie als Korrektor von Beipackzetteln, leidet aber selbst an einem Aufmerksamkeitsdefizit. Er will einen Krimi schreiben, der aber nicht von der Stelle kommt, weil jedes Detail zum Anlass für eine Abschweifung wird.

Einer anderer Laie, Creative-Writing-Student an einer Provinzuni, kann ebenfalls die Tinte nicht halten, und auch ihm fehlt es an Struktur. „Pat, das ist der Haken an deinen Texten“, wirft ihm sein Professor vor, „die haben Impulse, die haben Energie, und es sind gute Impulse, klar, es ist gute Energie, keine Frage, ganz wie es sich gehört, aber das reicht nicht, das führt nirgends hin, du hast nichts geplant … du fängst einen Satz an, ohne zu wissen, wie er weitergeht, ohne zu wissen, wo und wann er endet. Großbuchstabe, und dann hudelst du irgendwas hin, was vor das abschließende Satzzeichen passt.“

Das sind genau die Vorwürfe, die man allen diesen Geschichten machen muss. Selbstredend ist das Rollenprosa. Cohen lässt hier mit vollem Kalkül und gewaltigem sprachlichen Aufwand seine talentfreien oder verpeilten Skribenden faseln, aber das macht die Lektüre nicht erträglicher. Alles wird hier erläutert. Sogar die gute alte „E-Mail“ meint er als „Botschaften von einem Computer zum anderen“ paraphrasieren zu müssen. Diese Prosa berauscht sich an sich selbst, an seinem eigenen Mutwillen und kennt kein Maß. Jede Figur, die Cohen resp. sein Erzähler einführt, wird mit so vielen Details ausstaffiert, dass sich der gegenteilige Effekt einstellt – sie bekommt keine klarere Kontur, sondern verschwindet vielmehr in dem über sie ausgeschütteten Haufen an Informationen. Bis in die labyrinthische, von Parenthesen und Appositionen vollgestellte Syntax hinein, deutlich sichtbar in den unzähligen Gedankenstrichen, Klammern und Doppelpunkten, lässt sich hier beobachten, wie formaler Übereifer und poetologische Prinzipienreiterei einer Beschreibungspedanterie Vorschub leisten, die kaum mehr lesbar ist.

Das gelingt David Foster Wallace doch gerade in seinen Erzählungen – experimentelle Energie und Formulierungsfuror so zu kanalisieren, dass man immer noch daran Spaß haben kann. Nicht zuletzt weil er witzig ist. Cohen bemüht sich sehr um Witz, und diese Bemühungen merkt man den Texten an. „Er war ein Möbelpacker und trödelnder Packer geworden, ein pöbelnder Trucker …“ Und einen „vaginabundierenden Pornoproduzenten“ gibt es hier ebenso wie „KotzaCola“.

Diese Storys sind vor allem eins, Qualifizierungsschriften für die Aufnahme in die New Yorker Intellektuellenmafia. Und als solche haben sie ihren Zweck ja offensichtlich erfüllt.

Joshua Cohen: „Vier neue Nachrichten“. Aus dem Englischen von Ulrich Blumenbach. Schöffling & Co., Frankfurt a. M., 2014, 270 S., 19,95 Euro