Grabungen auf dem Friedhof

ZWANGSARBEITER Evangelische Kirche arbeitet ihre NS-Vergangenheit auf. Gedenkstätte geplant

Von den drei Holzbaracken ist heute am westlichen Ende des Tempelhofer Feldes nichts mehr zu sehen. Zu NS-Zeit befand sich hier ein Zwangsarbeiterlager mit russischen Kriegsgefangenen. Die Baracken standen im hinteren Teil des St.-Thomas-Friedhofs an der Hermannstraße und gehörten zur evangelischen Kirchengemeinde. Bisher erinnert an sie nur eine Tafel am Rand des Geländes.

Jetzt möchte die evangelische Kirche diesen Teil ihrer Vergangenheit aufarbeiten. Zwei Wochen haben die Archäologen Zeit, die obere Bodenschicht abzutragen, um Bausegmente der Baracken, Einrichtung und Alltagsgegenstände der Zwangsarbeiter freizulegen. „Wir wollen wissen, wie die Menschen hier gelebt haben“, sagt der Grabungstechniker Collins. Die Backsteinsegmente der Schlafbaracke und der Zementboden der Küchenbaracke liegen schon frei. Grundrisse von wenigen Quadratmeter großen Zimmern, die der Schlafplatz für mehrere Männer waren, sind zu sehen. Mit Arbeiterhandschuhen durchwühlen Helfer die aufgeschüttete Erde nach Relikten – ein Krug, Besteckteile, Teller, aber auch metallene Friedhofskreuze und Scherben von Wodkaflaschen werden sichtbar.

Zwischen 1942 und 1945 mussten die Kriegsgefangenen zahlreiche Gräber auf den umliegenden Friedhöfen ausheben. Die Insassen durften während der Bombardierungen nicht in den umliegenden Luftschutzbunkern Schutz suchen, weil sie sogenannte Ostarbeiter waren. Erst am 24. April 1945 wurden die Überlebenden von der Roten Armee befreit.

Einige der Helfer auf dem St.-Thomas-Friedhof gehören der Kirchengemeinde an, andere sind mit einem Workcamp des Service Civil International gekommen. Eine Friedensorganisation hat Freiwillige – unter anderem aus Tschechien und Weißrussland – eingeladen, bei den Grabungen zu helfen. Diese Arbeit soll helfen, Vorurteile abzubauen, erklärt Philipp Remde, der das Workcamp mitorganisiert. Auf Munitionsfunde aufzupassen gehört bei den Grabungsarbeiten an diesem Ort dazu. „Es wurden schon ausgebrannte Bomben gefunden“, erzählt Remde.

Die wertvollsten der gefundenen Objekte, wie etwa ein Besteckteil mit den Initialen eines Arbeiters, sollen in der geplanten Gedenkstätte ausgestellt werden, sagt Torsten Dressler, Grabungsleiter der Arbeiten. Das evangelische Landesarchiv, das die Grabungen finanziert, plant, die Stätte im Jahr 2015 als Ort der Erinnerung zu öffnen. ANNA BORDEL