Hyänen lieben heiß und innig

DAS ANDERE Was hat man nicht alles auf sie projiziert: Zwitterhaft, homosexuell, bösartig und schlecht fürs Gemeinwesen sollte sie sein – die Hyäne ist ein politisches Tier

Der Leib ist gedrungen, der Hals dick, der Kopf stark und die Schnauze kräftig. Die krummen vorderen Läufe sind länger als die hinteren, wodurch der Rücken abschüssig wird, die Füße vierzehig. Die Lauscher sind spärlich behaart und unedel geformt; die Seher liegen schief und funkeln unstet. Kurz: Man kann sie unmöglich schön nennen.

So beschrieb 1869 Alfred Brehm die Hyäne in seinem berühmten „Thierleben“. Brehm nahm aber nicht nur die Hyänen selbst in Augenschein, er war auch in die Gebiete ihres Vorkommens wie den Sudan gereist und hatte sich alle möglichen Geschichten über Hyänen erzählen lassen. Damit lieferte er eine sehr gute Zusammenfassung des schlechten Rufes der Hyänen über die Zeiten des menschlichen Zusammenlebens mit diesen Tieren und versuchte gleichzeitig eine Rettung ihrer zoologischen Existenzform. Er hielt ein paar Hyänen bei sich in Gefangenschaft, wodurch ihm Einblicke in ihr Sozialverhalten möglich wurden, die ihm zeigten, „daß auch Hiänen heiß und innig lieben können“.

Vier Kultur- und Literaturwissenschaftler haben jetzt den Brehm zur Hyäne zum Anlass genommen, seinen Text in vier klassischen Lesarten zu interpretieren. In sich steigernder Form wird Brehm dabei einer buchstäblichen, einer allegorischen, einer moralischen und einer anagogischen, das heißt einer auf die Hoffnung und das Weltende bezogenen, Lesart unterzogen. Der Band ist wunderbar gelungen, am Ende gelingt ihm durch einen Kommentar von Harald Schmidt sogar auch noch, die Hyänen vor den Bedeutungen ihres Signifikanten zu retten. Als Kritik muss allerdings das Geschlechterverhältnis der Interpreten in den „Lesarten eines politischen Tiers“ angemerkt werden. Außer Bettine Menke schreiben hier nur Männer. Das ist unrecht. Denn der schlechte Ruf der Hyänen hängt ursächlich damit zusammen, dass man sie äußerlich nicht unterscheiden kann. Das gab den Hyänen den Anschein des Zwitterhaften, was selbst einem kühlen Beobachter wie Aristoteles suspekt blieb. Zudem leben Hyänen im Matriarchat. Aber das kann man verkraften, wenn man die großartige allegorische Lesart von Markus Krajewski liest. Die Zärtlichkeit, die Brehm unter den Hyänen findet, steht da in direktem Verhältnis zu den Bordellerfahrungen Brehms in den Gassen von Khartum. Kurzum, schließt Krajewski, wir müssen uns Brehm als Meister der zweideutigen Beschreibung vorstellen. Das gezeigt zu haben, ist nur ein Verdienst dieses Buches. CORD RIECHELMANN

Markus Krajewski, Harun Maye (Hg.): „Die Hyäne. Lesarten eines politischen Tiers“. Diaphanes, Berlin 2011, 128 Seiten, 14,90 Euro