Kopftücher ab, Hüte auf

In Bayern dürfen muslimische Lehrerinnen kein Tuch über dem Haar tragen. Andere Kopfbedeckungen aber sind erlaubt.Eine Muslimorganisation klagt jetzt vor dem Landesverfassungsgericht – die Regelung richte sich einseitig gegen den Islam

VON CHRISTIAN RATH

Das gibt es nur in Bayern: Eine Berliner Muslimorganisation erhob jetzt Popularklage gegen das seit 2005 im Freistaat geltende Kopftuchverbot für Lehrerinnen. Damit ist zum ersten Mal ein Landesverfassungsgericht mit der heiklen Frage befasst.

In Bayern kann jeder, auch ohne persönlich betroffen zu sein, dem Landesverfassungsgericht bayerische Gesetze zur Prüfung vorlegen, wenn er die bayerische Verfassung verletzt sieht. Konkret geklagt hatte die Islamische Religionsgemeinschaft (IRG), die zum Umfeld der türkisch-fundamentalistischen Organisation Milli Görüs gerechnet wird.

Chancen hat die Klage aber kaum. Denn das bayerische Verfassungsgericht gilt nicht nur als relativ regierungsnah. Der aus Berlin angereiste IRG-Anwalt Jürgen Weyer war auch schlecht vorbereitet, während die Regierungsvertreterin, Ingeborg Berggreen-Merkel, punkten konnte.

Anwalt Weyer kritisierte vor allem zwei Punkte: Das Gesetz sei zu unbestimmt, außerdem richte sich die Regelung einseitig gegen den Islam. Wenn – wie in manchen Bundesländern – alle religiösen Symbole verboten wären, sei die IRG durchaus mit Verboten einverstanden. „Eine muslimische Lehrerin kann das Kopftuch ja im Lehrerzimmer lassen“, erklärte er.

Berggreen-Merkel, eine Ministerialdirigentin aus dem bayerischen Kultusministerium, wies den Verdacht der Einseitigkeit zurück. Das Kopftuch werde bei vielen Betrachtern als Symbol für eine fundamentalistische Grundhaltung und für die Benachteiligung der Frau gesehen. Das christliche Ordenshabit dagegen, in dem in Bayern mehrere Nonnen unterrichten, werde bei Schülern und Eltern nicht als verfassungsfeindliches Symbol gesehen, argumentierte die Beamtin.

Bayern hält sich dabei an Karlsruher Vorgaben. Dass nicht auf die konkrete Haltung der Kopftuchträgerin abgestellt werden muss, sondern der Verweis auf die mögliche Wirkung bei den Betrachtern genügt, hat das Bundesverfassungsgericht 2003 tatsächlich akzeptiert. Es verlangte für solche vorsorglichen Kopftuchverbote nur eine gesetzliche Grundlage.

Anders als in Baden-Württemberg geht es Bayern nicht um die religiöse Neutralität des Staates, sondern nur um ein vermeintlich fundamentalistisches Symbol. Muslimische Lehrerinnen dürfen sich als solche zu erkennen geben – solange sie auf ein Kopftuch verzichten. „Andere religiöse Symbole dürfen sie durchaus im Unterricht tragen und sie dürfen sich auch gegenüber den Schülern zu ihrem Glauben bekennen“, erklärte gestern Berggreen-Merkel.

„Möglicherweise ändert sich auch die Bedeutung des Kopftuchs eines Tages“, gab sich die Vertreterin des Landes konziliant, „deshalb ist das Gesetz ja auch relativ unbestimmt formuliert.“ Wie andere novellierte Landesgesetze vermeidet auch das bayerische Schulgesetz das Wort „Kopftuch“ und verbietet stattdessen religiöse Symbole, die bei Schülern oder Eltern „auch als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen […] nicht vereinbar ist“.

Als das Gesetz beschlossen wurde, gab es in Bayern noch keine einzige Lehrerin mit Kopftuch. SPD und Grüne kritisierten damals, das Gesetz löse keine Probleme, sondern schaffe neue. Inzwischen unterrichten im Freistaat zwei oder drei Referendarinnen, die eigentlich ein Kopftuch tragen wollten. Mit ihnen wurde ein Kompromiss gefunden, sie tragen im Unterricht jetzt neutrale Hüte.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof will sein Urteil am 15. Januar verkünden.