Eine Supergroup im Würfel

MUSEUMSPOP Geschäfte zwischen Coldplay- und A-ha-Effekten: „Apparatjik“ in der Neuen Nationalgalerie Berlin

Ein Künstlerkollektiv ist zu Gast in der Neuen Nationalgalerie zu Berlin. In der oberen Haupthalle ließ es einen sechs Kubikmeter raumgreifenden Kubus errichten, dessen Seiten mit Filmleinwänden überzogen sind. Im ausgeschalteten Zustand schimmert das Gebilde silbrig matt, ansonsten dient es für optisch unverbindliche Video- und Lichtprojektionen. Eigentlich nichts Außergewöhnliches. „The Apparatjik Light Space Modulator“ will allerdings mehr sein als eine würfelförmige Videoarbeit.

Hinter dem Kollektiv Apparatjik stecken nämlich vier Musiker, die man normalerweise mit anderen kreativen Ausdrucksformen als Multimediakunst in Verbindung bringt: Guy Berryman verbringt seine Arbeitszeit in der Regel als Bassist der Londoner Indie Rock-Stars Coldplay, Magne Furuholmen verdingte sich als Keyboarder von a-ha, dem zuverlässigen Popexport Norwegens, während Jonas Bjerre beim dänischen Rocktrio Mew singt. Martin Terefe schließlich hat als Produzent unter anderem Platten von a-ha und anderen Popgrößen betreut.

„Licht-Raum-Modulator“ mit Musik

Apparatjik ist also das, was man in der Branche eine Supergroup nennt. Die Frage, was das alles mit Installationskunst zu tun haben soll, ist da durchaus berechtigt. Der „Light Space Modulator“, den man in dem von Mies van der Rohe entworfenen Museum bewundern kann, will zunächst einmal eine Hommage an den Bauhaus-Architekten sein, der in diesem Jahr 125 Jahre alt wird, sowie an seinen Akademie-Kollegen László Moholy-Nagy, der 1930 ein Gerät entwarf, das er „Licht-Raum-Modulator“ nannte. Seine Konstruktion hatte freilich die bescheidenen Ausmaße von 120 Zentimetern Seitenlänge und arbeitete mit Glühbirnen.

Der ungleich größere Würfel von Apparatjik, der in Zusammenarbeit mit Künstlern, Medientechnikern und Designern entwickelt wurde, hat gegenüber seinem Vorbild den klaren Vorteil, dass man darin mühelos eine komplette Supergroup unterbringen kann, die dort dann tut, was sie sonst auf einer Bühne verrichtet: Musik spielen. Das tun Apparatjik auch, zwar nicht ununterbrochen, aber immerhin an drei Konzertterminen. Am 27. März, zugleich dem Geburtstag Mies van der Rohes, werden sie eigens mit dem Deutschen Kammerorchester spielen. In der übrigen Zeit muss man mit der audiovisuellen Installation vorliebnehmen. Zu ihrem ersten Konzert am Samstag blieben Apparatjik unter sich. Man trat in silbernen Paillettenanzügen, Gasmasken und Helmen mit Rentierhörnern in Erscheinung.

Die Mühe hätten sie sich im Grunde sparen können, denn die Musiker verschwanden ohnehin kurz darauf im Kubus, wo sie dann nur gelegentlich von Scheinwerfern als Schatten in Szene gesetzt wurden. Ansonsten sah man bunte Computerbilder, die mal hübsch abstrakt ornamental, mal albern-verspielt cartoonesk gerieten und eine Vorliebe für die grob gepixelte Ästhetik früher Computergrafik erkennen ließen, jedoch selten mehr als eine rein dekorative Funktion erfüllten. Als eine „Visualisierung von Kunst“ hat Nationalgalerie-Direktor Udo Kittelmann die Installation auf der Pressekonferenz bezeichnet. Was er damit gemeint haben könnte, blieb indes auch bei diesem Auftritt im Dunkeln.

Bombast-Hymnen

Zu der Musik selbst lässt sich nicht viel Überraschendes sagen. Apparatjik spielen eine Mischung aus Indie Rock und synthesizergestütztem Pop, wie man sie von den Beteiligten erwarten darf. Funken sprühen dabei keine. In ihrem Sound herrscht die klebrig-träge Heulsusigkeit vor, mit denen Coldplay ihre Bombast-Hymnen garnieren. Die ganze Bauhaus-Ummantelung kann dabei nicht kaschieren, dass hier ein paar Profistadionrocker eine Alternative zu ihrem Berufsalltag suchen. Furuholmen etwa gab zu Protokoll, die Situation im geschlossenen Kubus würde etwas anderes mit ihnen machen als der direkte Sichtkontakt zum Publikum. Wer wollte das bestreiten?

Doch so schön die Erfahrung für die beteiligten Musiker auch sein mag, die Art der Inszenierung ändert nichts daran, dass das Ergebnis dürftig ausgefallen ist. Das Publikum, Kunstbeflissene gesetzteren Alters und jugendliche Popenthusiasten, quittierte das Geschehen mit artigem Applaus. Kreischende Teenager waren jedenfalls keine zugegen. Wie sagte doch ein Besucher so treffend: „Das ist schlechter Synthiepop.“

TIM CASPAR BOEHME

■ The Apparatjik: „Light Space Modulator“, Neue Nationalgalerie Berlin, bis 25. März; weitere Konzerte: 26. und 27. März