Muslime schwören ab

In einer öffentlichen Kampagne bekennen sich in Deutschland Islamkritiker zur Abkehr vom Glauben

BERLIN taz ■ Die Kampagne erinnert an den Stern vom Juni 1971. „Wir haben abgetrieben“ bekannten damals rund 30 Frauen mit Fotos von sich. „Wir haben abgeschworen“ bekennen demnächst rund 40 ehemalige Muslime in Deutschland, die sich zu einem „Zentralrat der Ex-Muslime“ zusammengefunden haben. Am 28. Februar wollen sie an die Öffentlichkeit gehen und, ebenfalls mit Fotos, ihre Abkehr vom Glauben kundtun.

„Das wird eine große Geschichte“, glaubt die aus dem Iran stammende Mina Ahadi. Die 50-jährige Menschenrechtsaktivistin und das Gründungsmitglied des Vereins hat schon früher scharfe Kritik am Islam geübt. Vor sieben Jahren gründete sie das „Komitee gegen Steinigungen“. 2006 organisierte sie eine Kampagne gegen Ehrenmorde, an der sich auch andere prominente Islamkritikerinnen wie die heute in den USA lebende Ayaan Hirsi Ali beteiligten.

Ahadi selbst hat sich mit 15 Jahren vom Islam abgewandt: „Man wird ja nur zufällig in eine christliche oder muslimische Familie hineingeboren. Jeder sollte selbst über seine Religion entscheiden können.“

Die Kampagne könnte für Ärger sorgen. Apostasie, die Abkehr vom Glauben, ist nach traditioneller islamischer Rechtslehre ein todeswürdiges Verbrechen. „Das ist für die meisten Muslime ein sehr heikles Thema“, sagt der Tübinger Islamwissenschaftler Reinhold Luth. Zwar gebe es auch liberale Stimmen. Die seien jedoch selbst in Deutschland eher in der Minderheit. Für Luth klingt die Vereinsgründung nach einer „bewussten Provokation“.

Das gesteht Gründerin Ahadi ein: „Der Name ist provokativ formuliert.“ Schließlich heißt einer der großen islamischen Dachverbände in Deutschland „Zentralrat der Muslime“. Dieser befindet sich in Köln – der Zentralrat der Ex-Muslime auch. Selbst das Symbol der Ex-Muslime ist an dem des „echten“ Zentralrats orientiert. Nur steht hier vor dem Halbmond ein „Ex“.

Der Zentralrat der Muslime ist von der Vereinsgründung nicht gerade begeistert. „In diesem Land kann sich jeder organisieren, das Recht haben sie natürlich“, räumt der Zentralratsvorsitzende Ayyub Axel Köhler zwar ein. „Aber ich kann die Motivation des Vereins einfach nicht verstehen.“ Schließlich habe der Zentralrat bereits 2002 in seiner Charta festgehalten, dass jeder Muslim das Recht habe, die Religion zu wechseln oder auch gar keine Religion zu haben.

WOLF SCHMIDT