„Zärtlich mit den Jüngern“

VERSTÄNDIGUNG VertreterInnen verschiedener Religionen diskutieren über Homophobie

■ 62, ist Aids-Pastor. Für die Besetzung der Stelle war seine Homosexualität Voraussetzung.Foto: René Rehse

taz: Herr Gause, was ist ein Aids-Pastor?

Detlev Gause: Als Aids-Pastor der Seelsorge Hamburg bin ich Ansprechpartner für HIV-Infizierte und ihre Zugehörigen, die Beratung zu ihrer psychosozialen Situation suchen. Die Stelle gibt es nun seit 20 Jahren und mittlerweile landen auch andere Fragen zum Thema Kirche und Sexualität bei uns. Es kommen zum Beispiel schwule Männer, die sich nach dem Tod ihres Partners verloren fühlen, oder überhaupt über ihre Partnerschaftsprobleme reden wollen. Homosexualität spielt immer auch eine Rolle.

Aber was hat das jetzt mit Religion zu tun?

Es war explizit von der evangelischen Nordkirche gewollt, ein Angebot in diesem Bereich zu schaffen. Aber wir wollen ein Angebot für alle Menschen bieten und fragen deshalb nicht, ob jemand evangelisch ist oder sonstwie. Wir wollen die Menschen auch nicht missionieren oder in Glaubensfragen beeinflussen, sondern ihnen helfen, ihre Lebenssituation zu klären.

Glauben Sie, die traditionell schwulenfeindliche Einstellung im Christentum kann sich soweit ändern, dass man zu der Annahme kommen kann, Jesus sei schwul gewesen?

Es gibt im Evangelium Hinweise, dass Jesus Zärtlichkeiten mit seinen Jüngern ausgetauscht hat. Die strikte Ablehnung Homosexueller war damals gar nicht so virulent. Man hat miteinander gelebt und nicht gefragt: „Ist das jetzt der Norm entsprechend?“ Dass Jesus schwul war, ist vielleicht eine sehr steile Behauptung, die so wohl auch nicht haltbar ist. Aber ich glaube, es hat ein sehr freies Leben in dieser Jüngerschaft geherrscht, in dem Sinne, das man verantwortlich miteinander umgegangen ist und in der Art, wie man sich begegnet ist. Und da gehört Homosexualität auch dazu.

Sie diskutieren ja heute unter anderem mit einem Rabbiner, einem Imam und einer Bischöfin über Homophobie. Glauben Sie, das wird Streit geben?

Ich denke, es wird spannend. Einen solchen Dialog hat es in Hamburg noch nicht gegeben. Man kann sicher voneinander lernen und es könnte auch eine Chance für die Verständigung der Religionen untereinander sein. Und manchmal wird bei solchen Begegnungen ja auch Geschichte geschrieben.INTERVIEW: KATHARINA SCHIPKOWSKI

Podiumsdiskussion „Homophobie … Es geht dabei auch um Religion …!“ mit Maria Jepsen, Kai Eckstein, Sedat Șimșek, Barbara Mansberg und anderen: 19.30 Uhr, Zentralbibliothek am Hühnerposten 1