Zahlen sollen die anderen

taz-Serie „Koalition unter der Lupe“ (Teil 9 und Schluss): Mit wolkigen Worten hält sich Rot-Rot ein Hintertürchen für Studiengebühren offen. Hochschulausgaben will man auf die Exzellenzinitiative des Bundes und die Länder abwälzen

„Für den Hochschulzugang darf es keine finanziellen Hürden geben.“ Dieser kurze Satz im rot-roten Koalitionsvertrag dürfte in den nächsten fünf Jahren für einige Diskussionen sorgen. Denn er bedeutet nicht mehr als ein halbes Bekenntnis zu einem gebührenfreien Studium an den Berliner Hochschulen. Dass das Aufnehmen eines Studiums erst einmal kostenlos bleiben soll, heißt noch nicht, dass irgendwann nicht doch Langzeitgebühren oder Studienkonten eingeführt werden können.

Für Anja Schilhanek, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen, ist der Satz mit Vorsicht zu genießen: „Mit dieser wachsweichen Formulierung zeigt sich, wie groß die wissenschaftspolitischen Differenzen von SPD und PDS immer noch sind“, sagt sie und prophezeit: „Es dauert keine drei Jahre, bis die Studienkonten wieder im Gespräch sind“. Diese wurden maßgeblich vom scheidenden Kultursenator Thomas Flierl (PDS) entwickelt, der damit allerdings an seiner Parteibasis scheiterte. Die SPD favorisiert das Modell, das Langzeit- und Zweitstudenten zur Kasse bittet, schon seit langem.

Klaus Wowereit und Finanzsenator Thilo Sarrazin hätten keine Hemmungen, auch allgemeine Studiengebühren einzuführen. Doch das wäre insbesondere mit der Parteibasis der PDS nicht zu machen. Herausgekommen ist also ein Kompromiss, der einige Hintertürchen offenhält. Jutta Koch-Unterseher, Sprecherin für Wissenschaft und Forschung der SPD-Fraktion, ist mit der Aussage im Koalitionsvertrag zufrieden. „Damit können wir gute Arbeit leisten“, sagt sie. Zum beherrschenden hochschulpolitischen Thema der nächsten fünf Jahre werde ohnehin die gerechte Verteilung der Studienplatzfinanzierung, meint Koch-Unterseher. „Es wird Sache des Regierenden Bürgermeisters sein, sich im Rahmen der Föderalismusreform für die Berliner Interessen einzusetzen.“

Jedes Jahr bildet Berlin 35.000 Studenten aus anderen Bundesländern aus. Vom Bundesverfassungsgericht bekommt Berlin kein Geld, darum muss es sich im Hochschulpakt und anderen Gremien um eine bundesweit gerechte Verteilung der Ausbildungsleistungen bemühen. Der Koalitionsvertrag bleibt auch hier merkwürdig unkonkret. Berlin solle sich „für eine Berücksichtigung der Hochschulausgaben im Länderfinanzausgleich einsetzen“, also darauf vertrauen, dass Kultusministerkonferenz und Bundesrat ein Einsehen haben.

Ob Berlin aber irgendeine Form der Kofinanzierung von Studienplätzen leisten will, erwähnt der Koalitionsvertrag wohlweislich mit keinem Wort. Dieser Streit wird gerade unter den Wissenschaftsministern ausgefochten, die um den Hochschulpakt ringen. „Wolkig und voller Allgemeinplätze“ sei der Vertrag, kritisiert die Grüne Schilhanek. Noch mehr Studienplätze, lautet eine Forderung des Papiers. Woher dieses Geld kommen soll, steht nicht drin.

So richtig freuen über den neuen Koalitionsvertrag kann sich nur die Charité: Forschung, Lehre und Krankenversorgung bleiben unter einem Dach, die vier Hauptstandorte der Hochschulmedizin in Mitte, Steglitz, Wedding und Buch bleiben bestehen. Damit sind Spekulationen um eine mögliche Privatisierung der Charité endgültig vom Tisch. „Für uns bedeutet diese Aussage eine große Erleichterung“, sagt Charité-Sprecherin Kerstin Endele. Nina Apin