Polizei darf nicht hacken

Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Staat darf nicht heimlich Privatcomputer durchsuchen

Monika Harms hattedie PC-Schnüffelei als Hausdurchsuchung ausgegeben Bisher ist die Online-Untersuchung keine Standardmaßnahme der Polizei gewesen

VON CHRISTIAN RATH

Nun ist es endgültig. Das heimliche Ausspähen von Computer-Festplatten durch die Polizei ist derzeit illegal. Dies hat gestern der dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) festgestellt. Es fehle an einer gesetzlichen Erlaubnis für derartige Grundrechtseingriffe. Die Polizei darf deshalb bis auf weiteres nicht als Hacker arbeiten.

Im konkreten Fall ging es um ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung. Generalbundesanwältin Monika Harms hatte beantragt, auf dem Computer des Verdächtigen Spionage-Software zu installieren, die den Inhalt der Festplatte kopiert und per Internet an das Bundeskriminalamt übermittelt. Der Betroffene sollte von diesem Hacker-Angriff nichts mitbekommen. Die Software (ein sogenannter Trojaner) wäre vermutlich beim Öffnen eines getarnten E-Mail-Anhangs auf den Computer gelangt.

Schon im November hatte der BGH-Ermittlungsrichter Ulrich Hebenstreit den Antrag abgelehnt. Doch Harms legte Beschwerde ein. Gestern nun verwarf der 3. Strafsenat unter Richter Klaus Tolksdorf die Beschwerde in Bausch und Bogen. Weitere Rechtsmittel gibt es nicht. Harms hatte die PC-Schnüffelei als Hausdurchsuchung ausgegeben und sie deshalb als Onlinedurchsuchung bezeichnet. Für den Betroffenen sei diese Art der Durchsuchung sogar weniger belastend, weil kein Polizist seine Wohnung betreten müsse.

Diese Argumentation wies der BGH nun zurück. Die Hausdurchsuchung sei grundsätzlich offen durchzuführen, argumentieren die Richter. Der Betroffene könnte dabei anwesend sein und das Vorgehen der Polizei kontrollieren. Wenn er nicht greifbar ist, muss ein anderer Zeuge aus der Familie oder Nachbarschaft hinzugezogen werden. Ein Richter dürfe deshalb keine Durchsuchung anordnen, die von vornherein darauf abzielt, die gesetzlichen Schutzvorschriften außer Kraft zu setzen.

Richter Tolksdorf und seine Kollegen erinnern auch daran, dass für andere heimliche Ermittlungsmaßnahmen, wie die Telefonüberwachung oder das Abhören der Wohnung mittels Wanzen („Großer Lauschangriff“) deutlich strengere Voraussetzungen gelten als für die Hausdurchsuchung. Die Hausdurchsuchung ist zwar grundsätzlich nur mit richterlichem Beschluss möglich, kann aber bei jeder beliebigen Straftat und einem einfachen Anfangsverdacht genutzt werden. Auch diese Systematik der Strafprozessordnung spreche dagegen, das heimliche Ausspähen des Computers wie eine Hausdurchsuchung zu behandeln.

Dass viele Daten auf dem Computer besonders heikel sind – private E-Mails, Arztrechnungen, Steuererklärungen –, spielte bei der BGH-Entscheidung keine Rolle. Schließlich könne der Computer ja auch bei einer normalen Hausdurchsuchung beschlagnahmt und untersucht werden, so der Bundesgerichtshof.

Bisher ist die Onlinedurchsuchung von Festplatten keine Standardmaßnahme der Polizei gewesen. Bekannt sind vier Anträge der Staatsanwaltschaften, von denen drei genehmigt wurden. Tatsächlich durchgeführt wurde die Maßnahme, soweit bekannt, nur zweimal in einem Ermittlungsverfahren der Bonner Staatsanwaltschaft. Diese wollte Internetbetrügern auf die Schliche kommen, die die Passwörter von Bankkunden ausspionieren. Durchgeführt wurden die beiden Hackangriffe vom Landeskriminalamt (LKA) Nordrhein-Westfalen. Andere LKAs wie die in Baden-Württemberg und Bayern erklärten auf Nachfrage der taz, dass sie keine Onlinedurchsuchungen durchgeführt haben.

(Aktenzeichen: BGH StB 18/06)