Spaßiger Hang zur Konserve

■ „Grand Slam“: Dichter-Wettbewerb im Literaturhaus

Teilnehmer verschiedenen Alters, aber überwiegend jüngere; Gedichte verschiedenen Stils und Inhalts, aber überwiegend traditionelle – so könnte man das Bild vom ersten Hamburger Poetry Slam skizzieren, der gestern ab 11 Uhr im Literaturhaus stattfand. Auch das abschließende Urteil des Vorsitzenden des Verbands deutscher Schriftsteller (VS) in Hamburg, Reimer Eilers, fiel vage aus. Nach einigem Überlegen sagte der Organisator und Moderator der Veranstaltung, ein „Hang zum Konservativismus“ habe sich gezeigt, doch allen hätte der Dichter-Wettbewerb sicher „Spaß gemacht“.

Im Rahmen des monatlichen Autorentreffs Jour fixe des VS war jedermensch eingeladen, eigene Gedichte zu lesen. Die zwei Teilnahmebedingungen: Der Vortrag durfte nicht länger als fünf Minuten sein, und man mußte ehrliche Publikumskritik ertragen.

Über zweieinhalb Stunden dauerte der pausenlose Wettbewerb neun weiblicher und vier männlicher Autoren. Ihre Themen reichten von Mythologie über Naturbetrachtungen, Liebesleid und sehr viel Selbst-Gefühligem bis zu modernen Manager-Mängeln. Stilistisch gab es Gereimtes und Ungereimtes, meist jedoch Aufgeräumtes. Allein das Kollektiv „Club der lebenden Dichter“ stach hier mit seinen bunt karierten, rasant gedachten und vorgetragenen Kompositionen hervor. Insgesamt waren aber alle auch als Vortragende sehr brav: kein Schreien, Stampfen, Heulen, keine Überraschungen.

Rund dreißig Zuhörer blieben standhaft dabei und diskutierten engagiert nach jeder Darbietung. Komplexität, Originalität, Aktualität und Klanglichkeit wurden am meisten gefordert und vermißt. Trotzdem gewann nach demokratischer Abstimmung die junge Katja Wüstenhöfer mit ihren gefühlvollen Zweisamkeitsbetrachtungen. Sie freute sich riesig und darf demnächst im Literaturtelefon lesen.

Vor allem die ungewöhnlich hohe Besucherzahl veranlaßte die Veranstalter, diesen Jour fixe als überraschenden Erfolg zu bewerten. Den nächsten Poetry Slam planen sie für den kommenden Herbst.

Nele-Marie Brüdgam